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Die Glasprobe und andere zerbrechliche Geschichten

Titel: Die Glasprobe und andere zerbrechliche Geschichten
Autoren: Reinhard Griebner
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überreichen“, pries er den Inhalt seines Koffers an, „und zwar im kompletten Sortiment: den Plaste-Dackel zum Seiberbauen, den goldenen Briefbeschwerer-Dackel für gehobene Ansprüche, die Dackel-Sparbüchse, den Dackel-Nuckel für unsere Kleinen und ein fünftausendteiliges Dackel-Puzzle!“
    Ein leises Vibrieren, das die Ohren des Königs durchfuhr, verriet unbändiges Staunen.
    Der Oberbürgermeister schickte sich eben an, die Gratulationsfolge wieder nach seinem Plan zu lenken, da galoppierte der Glückwunschbeauftragte der Polytechnischen Hofschule an ihm vorbei und rief: „Darf ich Majestät im Namen des Kollegiums diese Mappe überreichen! Sie enthält eine Sammlung der schönsten Aufsätze, die jüngst an unserer Lehranstalt geschrieben wurden. Die Schüler durften unter drei ganz verschiedenen Themen auswählen: ,Der Dackel Waldemar und ich — mein schönstes Freizeiterlebnis ' oder ,Der Hund — des Menschen treuester Freund' oder ,Dackel Waldemar - was wollte uns der Künstler sagen?' “
    Der König ließ wortlos geschehen, daß der Gratulant die in Leder gebundene Sammelmappe auf dem Nachtschrank ablegte.
    Energisch versperrte der Oberbürgermeister anderen Vorwitzigen, die nun ebenfalls außer der Reihe zum Himmelbett drängten, den Weg. „Disziplin!" Zornig wiederholte er seinen selbsterdachten Spruch, der durch den Gang der Handlung ein wenig an Aktualität verloren hatte.
    Aufs wiederkehrende Stichwort flog endlich eine Tapetentür auf, und herein tobte ein quietschlebendiger junger Dackel, ein Geschenk, das zu diesen Zeiten ein Vermögen darstellte. Kläffend stürzte er sich auf des Königs Nachtlager, bekam die Filzpantoffeln des Landesvaters zu fassen und schleuderte sie ausgelassen durch die Gegend. Dann erspähte der Jungdackel den Zipfel des herunterbaumelnden Bettlakens und machte sich wütend knurrend darüber her.
    „Wir sind auf den Hund gekommen!" Zitternd verschwand die Königin unter ihrer Rheumadecke.
    Als König Hubert die Situation endlich erfaßt hatte, sprang er todesmutig auf, hüpfte dreimal Schwung holend auf den Matratzenfedern herum und katapultierte sich mit einem gekonnten Satz auf den elektrisch beheizten Kachelofen. Von dort sah er kniend auf seine Untertanen herab, unfähig, auch nur ein Wort herauszubringen.
    „Und nun die Krone unserer Gratulation“, kündigte der Oberbürgermeister an, der die Luftsprünge des Herrschers als Begeisterung ausgelegt hatte.
    Der Stadtmuseumsdirektor und der Rundfunkreporter, beide in weißen Kitteln, tippelten kratzfüßig in den Schlafsaal. Der Rundfunkreporter nahm die königliche Fußballwimpelsammlung von der Wand und stemmte mit viel Krach und Kraft einen Nagel in das Gemäuer, der Stadtmuseumsdirektor hängte anschließend an diesem Nagel ein Gemälde auf — das berühmte Bildnis des Dackels Waldemar.
    Daß bei der Aktion das Hochzeitsbild des Königspaares vom Haken rutschte und auf dem Fußboden zerschellte, trübte die stolze Freude der Gratulanten kaum. In Erwartung einer anerkennenden Bemerkung blickten die Herren vom Festkomitee zu ihrem Herrscher auf, der noch immer vorsichtig über die Ofenkante lugte.
    „Ja, seid ihr denn alle verrückt geworden?“ lautete die erste zaghafte Frage des Königs. Dann jedoch brüllte er mit furchtbarer Stimme: „Schafft mir den Köter aus dem Haus! Und das Marzipanmonster auch! Weg mit diesem Bild!“ „Ja aber..., was denn? Wie denn?“ sortierte der Oberbürgermeister fassungslos seinen Wortschatz. Er bereute heftig, sich auf die Mitgliedschaft im Festkomitee und zu allem Überfluß auf den Vorsitz eingelassen zu haben. „Vor ein paar Monaten, in der Ausstellung, da hatten Majestät doch gnädigst geruht...“
    „Was habe ich?“
    Bemerkenswerterweise, vergaß König Hubert in diesem Augenblick sogar seine Vergeßlichkeit. Seine Stimme glich einem Vulkan vor dem drohenden Ausbruch: „Was wird mir da unterstellt?“
    „Gnade!“ bat der Oberbürgermeister und half dem Herrscher vom Ofen.
    „Der König sagte beim Anblick dieses Bildes, daß er Dackelhunde nicht ausstehen kann“, wisperte die Königin und blinzelte unter der schützenden Bettdecke hervor. „Er meinte sich an einen nämlichen Krummbeiner zu erinnern, der ihm in seiner Prinzenkindheit den Hosenboden beschädigte.“
    Die Herren vom Festkomitee erstarrten.
    „Deshalb riet ich meinem Hubsi“, fuhr die Königin fort, „künftig das Anfertigen solcher Bilder zu untersagen.“ „Recht so!“ riefen der
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