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Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin
Autoren: Mindy L. Klasky
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summte. Er hatte ungeduldig auf diesen Tag gewartet, hatte die Octolaris-Konkurrenten gequält, hatte gefordert, dass die Seide zwei Mal täglich eingesammelt wurde, hatte Davin beständig schikaniert, damit er größere und bessere Webstühle baute. Er war wie ein werdender Vater vor den Käfigen der brütenden Spinnen auf und ab geschritten und hatte mit erstarrtem Atem gewartet, bis er erfuhr, dass die erste Ansammlung von Spinneneiern auf morenianischem Boden erfolgreich ausgebrütet wurde, dass die Riberrybäume Früchte trugen, dass die gemusterten Falter ihre plumpen Kokons sponnen, ihre blinden, weißen Raupen produzierten. Lange Tage und noch längere Nächte waren vergangen, während Hal seine Hoffnungen an den Giftspinnen festmachte, und nun hoffte er, seine Belohnung einzuheimsen.
    Anscheinend waren sowohl Händler als auch Adlige bereit, ihrem König gefällig zu sein. Zwölf Goldbarren wurden auf den Stoffballen geboten. Dreizehn. Vierzehn.
    »Fünfundzwanzig Goldbarren!«, rief Tovin in die Halle, seine Gauklerstimme zu den Dachsparren aufsteigend. Die Kraft seines Gebots ließ die Luft zerspringen, stellte die murmelnden Zuschauer ruhig.
    »Was ist das, Tovin Gaukler?« Hal wandte sich an den breitschultrigen Mann, brauchte nur einen Moment, um den Blick zu Rani hinüberzucken zu lassen. Sie verstand die flüchtig darin enthaltene Frage, den aufflammenden Zweifel, als er zu wissen forderte, ob er verspottet wurde. Sie konnte Hals Blick nur fest begegnen. Sie wusste nichts über Tovins Absichten.
    »Fünfundzwanzig Goldbarren, Euer Majestät. Die Gaukler bieten fünfundzwanzig.«
    Rani erwog die Zahl mit ihrem Händlergeist. Tovin konnte so viel bezahlen. Die Gaukler hatten nach drei Jahren des Umherreisens in Morenia mehr als das gehortet. Aus ihrem Heimatland vertrieben, hatten sie sich als sparsam erwiesen, begnügten sich mit ihren vorhandenen Kostümen und Kulissen. Die einzige Ausgabe der Gaukler war für einen Satz neue Glaspaneele getätigt worden, und Rani hatte das Glas dafür nur allzu gerne zur Verfügung gestellt, wie auch das Blei, die Farbe und das Silberfärbemittel. Immerhin förderte sie die Gaukler. Sie unterstützte sie. Und sie lernte von ihnen – alles kostenfrei.
    Rani schloss eine Hand um Tovins Unterarm, spürte die Energie, die durch die festen Muskeln des Mannes pulsierte. Sie beobachtete, wie Hal ihre Bewegung abmaß, beobachtete, wie er das ernsthafte Angebot hinter den Worten des Gauklers erwog.
    »Nun gut. Fünfundzwanzig Goldbarren. Bietet jemand mehr? Misst jemand der ersten Frucht der morenianischen Webstühle noch mehr Wert zu?«
    Händler sahen einander an, betasteten die Beutel mit Gold an ihrer Taille. Ein Mann schüttelte den Kopf und beäugte weitere Stoffballen, Ballen, die nicht denselben Preis wie der erste erzielen würden. Ein Adliger räusperte sich, zog die Aufmerksamkeit auf sich, errötete dann aber und trat zurück.
    »Also gut«, verkündete Hal. »Fünfundzwanzig Goldbarren von Tovin Gaukler! Der erste Seideballen ist verkauft!«
    Beifall stieg zur Decke der Halle auf, und die Menge drängte noch näher an das Podest. Hal nahm die begeisterten Glückwünsche entgegen und trat dann herab, überreichte den traditionellen Amtsstab dem Seidenbeamten, der ernannt worden war, die Hauptauktion zu leiten. Ein weiterer Posten – dieses Mal ungefärbte Seide – wurde der Menge dargeboten, und das Bieten begann erneut.
    Hal bahnte sich seinen Weg durch die Menge, berührte einen Mann an der Schulter und beugte sich herab, um den aufrichtigen Worten eines anderen zu lauschen. Er war in seinem Element, dachte Rani. Er war glücklich und fühlte sich wohl – sein Land gedieh zum ersten Mal, seit er den Thron eingenommen hatte. Das Königreich Amanthia im Norden zollte, wie erwartet, Anerkennung. Das arme Moren erwachte nach dem verheerenden Feuer wieder zum Leben – ganze Viertel der Stadt waren fast wiederaufgebaut, mit breiten Prachtstraßen und standfesten, neuen Gebäuden. Das Frühjahr war warm gewesen, und die Pflanzen waren rasch aufgeblüht. Der frühe Sommer hatte sich Tagen sanfter Hitze mit gelegentlichen langen, durchtränkenden Regengüssen gerühmt. In Morenia war alles gut.
    Rani wurde sich der Ansammlung bewusst, die sich um Tovin scharte, der Männer, die sich versammelten, um ihm zu gratulieren. »Eine hübsche Geste, Gaukler!«, sagte Graf Jerumalashi, einer von Hals Ratsherren, gerade. »Ich würde gerne sehen, was Ihr mit dieser Seide
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