Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Gilde der Diebe

Titel: Die Gilde der Diebe
Autoren: Tom Becker
Vom Netzwerk:
zu explodieren. Das Schieben und Schubsen steigerte sich zu einem Treten und Schlagen. Stühle flogen auf das Podium. Die rothaarige Frau wurde von einer Traube wütender alter Frauen umzingelt. Völlig überraschend wurde sie von dem Riesen gerettet, der durch die Masse der Frauen pflügte, sie in seine Arme nahm und aus dem Zimmer trug. Das ist eine gute Idee, dachte Nigel und floh in einen sicheren Nebenraum. Von dort aus beobachtete er, wie eine Gruppe hünenhafter Männer in Anzügen den Raum stürmte und sich ihren Weg durch den Pöbel zu der Schatulle bahnte. Offensichtlich waren Cornelius Xaviers Mitarbeiter eingetroffen.
    Verglichen mit den Tumulten im Auktionsraum war der Nebenraum eine Oase der Ruhe. Nigel verschloss die Tür und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Sein Herz raste und der Lärm der Randale hallte in seinen Ohren wider. Er konnte sich glücklich schätzen, dass er dort lebend rausgekommen war.
    »Mister Winterford?«
    Jemand stand im Halbdunkel neben dem Fenster. Nigel strengte seine Augen an, um ihn zu erkennen.
    »Ja? Wer sind Sie?«
    »Mein Name spielt keine Rolle. Sir Basil hat mich beauftragt, sicherzustellen, dass die mit seinem Testament verbundenen Regeln strikt eingehalten werden.«
    Nigel richtete sich zu seiner vollen Größe auf.
    »Nun, wie Sie sehen konnten, habe ich selbst unter den schwierigsten Bedingungen alle Anweisungen wortwörtlich befolgt.«
    »Beinahe«, lautete die höfliche Antwort. »Alle Anweisungen, bis auf eine.«
    Der Auktionator dachte angestrengt nach. Er hatte die Anweisungen sorgfältig Buchstabe für Buchstabe gelesen. Er konnte unmöglich etwas übersehen haben!
    »Oh, machen Sie sich keine Sorgen!« Die Stimme lachte heiser. »Sie haben Ihr Bestes gegeben. Sir Basil wäre entzückt. Aber es gab da noch eine letzte Anweisung, von der Sie nichts wissen.«
    »Oh. Und die wäre?«
    Aus dem Dunkel erklang das Geräusch einer Schwertklinge, die aus ihrer Scheide gezogen wurde.
    »Keine Zeugen aus Lightside. Dieser Punkt war Sir Basil überaus wichtig.«
    »Wie bitte? Ich verstehe nicht, was Sie meinen!«
    Die Gestalt machte einen schnellen Schritt auf Nigel zu, der zurückwich und über eine Marmorstatuette stolperte.
    »Zum ersten …«
    »Bitte!«, schrie der Auktionator. »Ich flehe Sie an!«
    »Zum zweiten …«
    »Das ist Wahnsinn! Sie werden doch nicht …«
    Das Letzte, was Nigel Winterford sah, war eine lange Klinge, die die Finsternis durchschnitt. Mit einem lauten Krach stürzte er zu Boden.
    »Und zum dritten«, sprach die Stimme.

3
    Jonathan wand sich verzweifelt, aber sein Angreifer hatte ihn fest im Griff und erstickte mit seiner großen Hand seine Hilferufe. Er wurde rückwärts in eine schattige Ecke des Parkplatzes gezogen. Seine Füße schleiften über den Asphalt. Unfähig, sich zu befreien, bereitete Jonathan sich schon auf das Schlimmste vor, als ihn plötzlich eine vertraute Stimme fragte: »Was hast du hier zu suchen, Junge?«
    Jonathan wirbelte herum. Carnegie hatte seinen Griff gelockert und beäugte ihn nun sichtlich amüsiert. Der Wermensch hatte seinen geliebten Zylinder gegen einen breitkrempigen Filzhut eingetauscht, aber das war auch schon sein einziges Zugeständnis an die moderne Welt. Unter seinem langen Mantel trug er einen altmodischen dreiteiligen Anzug mit einer violetten Weste, die wie die Palette eines Malers mit Spritzern und Flecken übersät war.
    »Himmel, Carnegie!«, rief Jonathan halb verärgert, halb erleichtert. »Du hast mich zu Tode erschreckt! Was machst du hier?«
    »Ich hab dich zuerst gefragt.«
    »Lightside-Kram«, erwiderte er ausweichend. »Das verstehst du nicht.«
    »Ich erkenne Ärger, wenn ich ihn sehe.«
    »Nun ja, hier war es ziemlich öde in letzter Zeit. Ich musste mir was einfallen lassen, um ein wenig Spaß zu haben.«
    Jonathan schaute trotzig zu Carnegie auf, der wiederum plötzlich in ein bellendes Gelächter ausbrach und ihm so fest auf die Schulter klopfte, dass Jonathan dabei fast hintenüber gekippt wäre.
    »Ich habe dich auch vermisst, Junge. Wollen wir verschwinden, bevor diese Typen beschließen, noch mal nach dir zu suchen?«
    Jonathan nickte und marschierte zur Ausfahrt des Parkplatzes. Obwohl er sich freute, Carnegie wiederzusehen, war er immer noch etwas gekränkt über die Art, wie dieser ihn nach Lightside zurückgeschickt hatte. Es war ein seltsames Gefühl, den Wermenschen nun bei sich zu haben und sich mit ihm zwischen den Strömen von Autos hindurchzuschlängeln,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher