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Die Gesellschaft des Abendsterns

Die Gesellschaft des Abendsterns

Titel: Die Gesellschaft des Abendsterns
Autoren: Brandon Mull
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verdankte.
    Seit sie Fabelheim vor fast einem Jahr verlassen hatte, hatte Kendra nur zwei Mal magische Geschöpfe gesehen. Das erste war ein bärtiger Mann von nicht einmal einem Meter Größe gewesen, der ein Rohr aus einem Müllhaufen hinter dem Kino gezogen hatte. Als sie versucht hatte, ihn näher in Augenschein zu nehmen, war der winzige Mann in
einen Regenwasserkanal gekrochen und verschwunden. Bei einer anderen Gelegenheit hatte sie etwas entdeckt, das ausgesehen hatte wie eine goldfarbene Eule mit einem menschlichen Gesicht. Sie hatte für eine Sekunde Blickkontakt zu dem Geschöpf herstellen können, dann war es in einem Wirbel goldener Federn davongeflogen.
    Solch merkwürdige Dinge blieben sterblichen Augen normalerweise verborgen. Ihr Opa Sørensen hatte ihr auf seiner Farm magische Milch zu trinken gegeben. Diese Milch verlieh jedem, der sie trank, die Fähigkeit, die Illusionen zu durchschauen, hinter denen sich diese mystischen Kreaturen normalerweise verborgen hielten. Allerdings hielt die Wirkung der Milch nur so lange an, bis man das nächste Mal schlafen ging. Aber die Feenküsse hatten ihr diese Fähigkeit auf Dauer geschenkt, und ihr Großvater hatte Kendra gewarnt, dass es manchmal sicherer sei, gewisse Dinge ungesehen zu lassen.
    Und hier saß sie nun und starrte ein groteskes Monster an, das sich in ihrem Klassenzimmer als neuer Schüler ausgab! Mrs. Price ging von Tisch zu Tisch und verteilte die Jahrbücher. Kendra bekritzelte geistesabwesend den Einband eines ihrer Hefte. Warum war die Kreatur hier? Gewiss hatte es etwas mit ihr zu tun. Es sei denn, abstoßende Goblins infiltrierten regelmäßig das öffentliche Schulsystem. War er hier, um zu spionieren? Um Ärger zu machen? Kendra war sich beinahe sicher, dass er etwas im Schilde führte.
    Als sie aufschaute, ertappte sie den Goblin dabei, wie er sie über die Schulter anstarrte. Eigentlich sollte sie froh darüber sein, dass sie sich der verborgenen Identität des neuen Schülers bewusst war. Das Wissen machte sie zwar nervös, aber es würde ihr auch helfen, jeder Gefahr, die er darstellen mochte, entgegenzuwirken. Mit ihrer geheimen Fähigkeit konnte sie ihn im Auge behalten. Wenn sie sich cool
gab, würde Case nicht mitbekommen, dass sie ihn in seiner wahren Gestalt sah.
     
    Die Roosevelt Middle School hatte die Form einer riesigen Schachtel und war so angelegt, dass die Schüler im Winter niemals ins Freie zu gehen brauchten. Die Gebäude waren durch Korridore miteinander verbunden, und der große Veranstaltungssaal diente gleichzeitig als Cafeteria. Doch jetzt, unter der warmen Junisonne, setzte Kendra sich zum Mittagessen mit ihren drei Freundinnen lieber nach draußen, an einen runden Tisch mit fest installierten Bänken.
    Kendra trug sich in Britannys Jahrbuch ein, während sie an einem Croissant-Sandwich knabberte. Trina trug sich in Kendras Jahrbuch ein, Alyssa in Trinas und Britanny in Alyssas. Es war Kendra wichtig, etwas Langes, Bedeutsames hineinzuschreiben  – schließlich waren dies ihre besten Freundinnen. »Ich wünsche dir einen tollen Sommer« mochte für Bekannte ausreichen, aber für echte Freunde musste es etwas Originelleres sein. Das Beste war, auf etwas Gemeinsames anzuspielen, auf witzige Sachen oder Ausdrücke, die nur der andere verstand, oder auf etwas Komisches, das man während des Jahres gemeinsam erlebt hatte. Im Augenblick schrieb Kendra über den Tag, an dem Britanny nicht hatte aufhören können zu lachen, während sie versuchte, in Geschichte einen mündlichen Test zu bestehen.
    Plötzlich ließ sich Casey Hancock ungebeten auf die Bank plumpsen, auf der sie alle saßen, in den Händen ein Lunchtablett, das mit Lasagne, Karottenscheiben und Schokoladenmilch aus der Cafeteria beladen war. Trina und Alyssa rutschten beiseite, um ihm Platz zu machen. So etwas hatte es noch nie gegeben, dass ein einzelner Junge sich an einen Tisch mit vier Mädchen setzte! Trina wirkte leicht genervt, doch Alyssa warf Kendra einen Blick zu, als hätte
sie gerade im Lotto gewonnen. Wenn Alyssa nur hätte erkennen können, wie ihr neuer Schwarm in Wirklichkeit aussah!
    »Ich glaube, wir haben uns noch nicht kennengelernt«, verkündete Case, und seine Stimme klang piepsig und rau. »Ich bin Case. Ich bin gerade hierhergezogen.« Allein ihn sprechen zu hören, bescherte Kendra Halsschmerzen.
    Alyssa stellte sich selbst und die anderen vor. Case war am Vormittag in zwei von Kendras Kursen gewesen, und jedes Mal, wenn er
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