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Die Geschichte eines Sommers

Die Geschichte eines Sommers

Titel: Die Geschichte eines Sommers
Autoren: Wingfield Jenny
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fragen, ob Sie etwas tun können«, sagte Geraldine. »Sie können ihn mir nicht zurückbringen.«
    Nein, und wenn es jemand täte, würde ich dafür sorgen, dass er sofort wieder verschwindet , hätte Calla am liebsten gesagt, hielt sich aber zurück. Stattdessen sagte sie: »Wenn Sie und Ihre Kinder irgendetwas brauchen … Wir sind immer noch Nachbarn.«
    Völlig irrational legte Geraldine schützend einen Arm um Blade. Als müsste er vor Calla Moses geschützt werden.
    »Sie werden meinen Jungen nicht wieder mitnehmen.«
    »Nein«, sagte Calla, »Blade will jetzt sicher bei Ihnen sein.« Dann sah sie Blade an. »Aber du bist jederzeit bei uns willkommen, Blade. Sehr willkommen sogar.«
    Er wandte den Blick ab. Calla drehte sich um und ging hinaus. Als sie den Hof schon fast verlassen hatte, hörte sie, wie er hinter ihr hergelaufen kam. Sie blieb stehen und wartete, bis er bei ihr war.
    »Es tut mir so leid«, flüsterte er. Jetzt flüsterte er also wieder. »Was mit Swan passiert ist.«
    »Damit hattest du nichts zu tun, Blade«, sagte Calla. »Du brauchst dich nicht für Dinge verantwortlich zu fühlen, die jemand anders getan hat.«
    Als er darauf nichts erwiderte, fragte sie ihn, wie es ihm so gehe. Ob er traurig sei, dass sein Daddy nun tot war. Er schüttelte den Kopf.
    »Nein«, sagte er kaum hörbar, »aber ich sollte es wohl sein.«
    Dann drehte er sich um und lief zum Haus zurück.
    Swan schlief sehr unruhig und wachte einige Male weinend auf. Wann immer sie die Augen öffnete, war jemand bei ihr. Ihre Mutter, ihr Vater, ihre Brüder, ihre Großmutter. Doch Swan schaute stets weg, weil sie glaubte, wenn die anderen sie anguckten, würden sie ihr ansehen, was passiert war. Nun, da sie in Sicherheit war, konnte sie mit dem Geschehenen noch schwerer umgehen.
    »Es ist alles vorbei«, sagte ihre Mutter immer wieder zu ihr.
    »Niemand kann dir je wieder wehtun«, sagte Samuel.
    Doch es war nicht die Vorstellung, dass man ihr wieder wehtun könnte, die sie quälte. Sie wusste, dass Ballenger tot war und ihr Vater ihn umgebracht hatte. Sie hatte den leblosen Körper gesehen, als Samuel sie aus dem dunklen Raum herausgetragen und so sanft wie möglich ins Auto gelegt hatte. Was sie nicht losließ, war der Gedanke an das, was bereits geschehen war und nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte.
    Ihre Brüder wussten nicht, was sie sagen sollten, und fragten nur, ob alles in Ordnung sei. Swan antwortete immer dasselbe.
    »Nein.«
    Bevor Großmutter Calla Toy besuchen ging, setzte sie sich zu ihr ans Bett. Das Elend stand dem Mädchen ins Gesicht geschrieben.
    »Denk immer daran, dass du durch ein Wunder gerettet wurdest«, sagte Oma Calla zu ihr. Sie wollte ihr helfen, wieder an Wunder glauben zu können.
    Swan brach in Tränen aus. »Das Wunder kam zu spät«, sagte sie. »Ich bin nur zu einem Teil gerettet worden.«
    »Das ist doch nicht wahr«, sagte Oma Calla. »Und davon will ich auch nichts hören. Dein Daddy hat dich in einem Stück nach Hause gebracht. Wir haben unser kleines Mädchen heil wiederbekommen.«
    »Aber ich fühle mich nicht heil«, sagte Swan.
    »Das wirst du schon wieder. Das wirst du, ganz bestimmt.«
    Nachdem Calla gegangen war, bat Swan ihre Mutter, die Kuhglocke zu läuten. Willadee nahm die Glocke vom Tisch neben dem Bett und läutete sie laut und lange. Swan legte sich auf ihr Kissen zurück und schloss die Augen. Wenn das scheppernde Geräusch ertönte, ging es ihr irgendwie besser.
    »Warum hat Gott so lange gewartet, bis er mir geholfen hat, was meinst du?«, fragte sie ihre Mutter.
    Die Frage hatte sich Willadee auch schon gestellt. »Du bist hier. Du bist bei uns. Das ist das Allerwichtigste«, war alles, was ihr dazu einfiel.
    Swan atmete zitternd aus und versuchte nicht an jene Stelle bei den Weiden zu denken und nicht an den dunklen Raum. Drüben im Wald lagen noch immer zwei Kuhglocken und zwei Entenlockpfeifen herum, und sie hoffte, dass das nicht zu bedeuten hatte, dass noch jemand ein Wunder brauchen würde. Ganz dringend ein Wunder zu brauchen, das war das Schlimmste, was sie sich vorstellen konnte.
    Samuel fuhr Calla in die Stadt, um Toy zu besuchen. Während sie bei Toy im Gefängnis war, suchte er Early Meeks auf, um sein Geständnis zu wiederholen. Early hörte zu, war jedoch nicht mehr so geduldig wie beim ersten Mal.
    »Beschreiben Sie mir, wie es in diesem Raum aussah«, sagte er schließlich. »In dem Raum, in dem Ballenger Swan gefangen gehalten hat.«
    »Es
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