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Die Geschichte eines Sommers

Die Geschichte eines Sommers

Titel: Die Geschichte eines Sommers
Autoren: Wingfield Jenny
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herausfinden«, sagte Swan. »Wenn man den Leuten davon erzählt, glauben die einem sowieso nicht, sondern halten einen nur für verrückt.«
    Auf sein eigenes Drängen hin wurde Toy Moses der schnellste Prozess seit den Tagen des Wilden Westens gemacht. Und auch einer der kürzesten. Er dauerte nur eine Stunde und elf Minuten, und der Gerichtssaal war gerammelt voll mit Zuschauern. Toy bestand darauf, sich selbst zu vertreten, verzichtete auf sein Recht auf eine Jury und plädierte: »Absolut schuldig, Euer Ehren.« Als man ihn aufforderte, zum Gericht zu sprechen, log Toy in zehn Minuten häufiger, als er es in seinem ganzen bisherigen Leben getan hatte. Aus dem, was Samuel in jener Nacht Willadee erzählt und er zufällig mitgehört hatte, spann Toy einen knappen, aber genauen Bericht, den er mit sämtlichen Details ausschmückte, die er aufgrund seiner Besichtigung von Ras Ballengers verstecktem Raum kannte. Als er dann beschrieb, wie er dem kleinen Dreckskerl den Hals umgedreht hatte, tat er das mit genau diesen Worten und fügte außerdem hinzu, dass manche Männer einfach den Tod verdient hätten und er froh sei, gerade diesem Mann dazu verholfen zu haben.
    Samuel Lake bat inständig darum, für die Verteidigung aussagen zu dürfen, aber die Verteidigung in Form von Toy Moses lehnte dies ab.
    Der Richter gab Toy zwanzig Jahre. Wahrscheinlich zehn für Yam Ferguson und zehn für Ras Ballenger, obwohl er das so nicht sagte.
    Toy dankte ihm aufrichtig.
    Bernice war nicht einmal zum Prozess erschienen.
    Early Meeks fuhr Toy nach der Urteilsverkündung nach Hause, damit er Zeit hatte, sich so von seiner Familie zu verabschieden, dass die Erinnerung daran für sie nicht allzu schmerzlich sein würde. Das war zwar nicht ganz legal, und Bobby Spikes wies ihn auch darauf hin, als sie Toy zu Earlys Auto brachten, aber Early erklärte Bobby, dass es vermutlich auch nicht legal wäre, einem Deputy das Leben zur Hölle zu machen, obwohl er das trotzdem schon des Öfteren getan hatte und es sehr wahrscheinlich auch wieder tun würde, wenn man ihn nur genügend reizte.
    Die Erwachsenen saßen bei Calla zusammen und redeten beinah so miteinander, als würde Toy ihnen einen ganz normalen Besuch abstatten. Sid hatte bei einem Farmer in der Nähe ein Schwein gekauft und es im Hinterhof auf einem Drehspieß gebraten. Dazu gab es Callas Kartoffelsalat, Niceys Baked Beans sowie Brötchen und Maiskasserolle von Willadee. Es wurde ein denkwürdiges Mahl. Toy sagte zu Nicey, ihr Kokosnusskuchen sei das Beste, was er je gegessen hätte, und sie strahlte übers ganze Gesicht.
    Swan und ihre Brüder fühlten sich zu Anfang des Besuches ziemlich beklommen. Sie waren todtraurig, doch gegen Ende sahen sie alles ein wenig gelassener. Toy erklärte ihnen, dass er ja nicht für immer fort sein würde. Zwanzig Jahre mussten nicht unbedingt auch zwanzig Jahre bedeuten. Es hinge alles davon ab, wie sich die Dinge entwickelten.
    »Und in der Zwischenzeit«, sagte Toy zu Noble, »lässt du dir von deinem Daddy helfen, den Motor des Trucks auszubauen, wozu wir nie gekommen sind. Dann sorgst du dafür, dass er immer wie geschmiert läuft, und wenn du alt genug bist, den Führerschein zu machen, hast du gleich einen fahrbaren Untersatz.«
    Noble sagte, das würde er tun, und wenn er zum ersten Mal allein fahren dürfe, würde er sich dabei fotografieren lassen und Toy einen Abzug schicken.
    Toy nahm sich für jedes der Kinder Zeit, so wie es ein Vater tun würde, der für längere Zeit fortgeht. Auch wenn es nicht wirklich seine Kinder waren, fühlte er sich doch in vielerlei Hinsicht für sie verantwortlich.
    Er bat Bienville, ihm Bücher zu schicken, und Bienville fragte, was er denn gerne lese. Toy sagte, alles über Wasser und Wälder interessiere ihn, doch Bienville könne mit dem Lesestoff auch gern seinen Horizont erweitern. Bienvilles Augen funkelten, als er sich die Möglichkeiten ausmalte.
    Irgendwann hob Toy Swan auf seine Schultern und trug sie von den anderen fort. Swan ließ es sich lächelnd gefallen, weil sie sich erinnerte, dass sie vor einiger Zeit von genau so etwas geträumt hatte. Allerdings nicht unter diesen Umständen. Die hätte sie sich weder jemals vorstellen noch wünschen können. Und doch war es genau die Nähe, nach der sie sich gesehnt hatte.
    In Callas Garten setzte Toy sie ab, kniete sich vor ihr nieder und sah ihr in die Augen.
    »Ich hab dir mein Herz geschenkt«, erklärte er ihr. »Aber das weißt du,
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