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Die Geometrie der Wolken

Die Geometrie der Wolken

Titel: Die Geometrie der Wolken
Autoren: Giles Foden
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und schob sich die Strähne zurück. »Und wer bist du, dass ich dir das glauben soll?«
    »Henry Meadows«, erwiderte ich und versuchte nicht allzu arrogant zu klingen. »Ich muss dazu sagen, dass ich für das Met Office arbeite.«
    Er lachte. »Donnerwetter, was für ein Zufall.« Er streckte die Hand aus. »Irv Krick. US Air Force Weather Service. Ich bin hier unterwegs, um mich mit der Gegend vertraut zu machen. Was machst du hier?«
    Ich verwendete das Alibi, das Sir Peter mir zurechtgelegt hatte: »Ich soll in Westschottland eine Wetterstation einrichten.«
    Von Krick hatte ich schon Einiges gehört - er hatte am California Institute of Technology gearbeitet, das damals in Amerika führend auf dem Gebiet der Meteorologie war - und wir unterhielten uns ein wenig über die Entwicklungen an der Front. Er war auf dem Rückweg in die Vereinigten Staaten, aber sein Flugzeug hatte landen müssen. Er ging und beriet sich mit seinem Kollegen über die Chancen eines Abflugs am nächsten Tag, und ich drehte mich um und sah mir durch die Fensterscheiben den Sturm an. Wie sollte ich bei dem Wetter nach Kilmun kommen? Geplant war, dass ich in ein paar Stunden ein Dampfschiff hinaus Richtung Westküste nehmen sollte, aber das war jetzt unmöglich.
    Ich hörte Kricks Stimme hinter mir. »Mein Kollege und ich pennen heute Abend in einem Hotel in Glasgow. Pokerst du?«
    Ich betrachtete meine begrenzten Möglichkeiten. Auf jeden Fall musste ich etwas essen, also fuhr ich mit Krick und seinem Assistenten Ben Holzman in einem Militärwagen durch den Schneesturm zu einem Hotel in der Innenstadt. Die Fahrt war ungefähr fünfzig Kilometer lang, und es schneite ununterbrochen.
     

2 .
    Als wir Glasgow erreichten, war klar, dass es nicht in Frage kam, am gleichen Tag noch weiterzureisen. Wir aßen Kartoffeln mit Hackfleisch und Zwiebeln und tranken danach Whisky bei einem Pokerspiel vor dem Kohlenfeuer. Wenn ich nicht aufpasse, verliere ich den ganzen Nachmittag, dachte ich mir, während die Karten gegeben wurden. Ich nahm mir vor, es nicht so weit kommen zu lassen - aber schon nach wenigen Minuten hatten der Whisky und die Wärme mir jede Willenskraft genommen.
    Es war, als hätte mich eine überirdische Sirene betört, die immer wieder ihr Versprechen von stillstehender Zeit und ungetrübter Freude wiederholte, bis ich ihr schließlich verfiel. Während wir Karten spielten, die Kohlen im Kamin glühten und eine Kellnerin mit Schürze und Haube uns mit Eis für den Scotch versorgte, hörte ich Krick seine bemerkenswerte Lebensgeschichte erzählen.
    Ich war zwar auf einem ungewöhnlichen Weg zur Meteorologie gekommen, doch seiner war weitaus verworrener. Nach seinem Abschluss in Physik an der University of California arbeitete er als Radiomoderator und danach als Laufbursche für eine Börsenmaklerfirma. »Chapman de Wolfe & Co.«, sagte er und sprach es wie deutsch »Wolf« aus. »Du kannst dir wahrscheinlich vorstellen, dass die mich nach dem Crash '29 ziemlich schnell auf die Straße gesetzt haben. Mich hat's damals aber nicht so schlimm erwischt - dafür habe ich gesorgt.«
    »Wie denn?«, fragte ich und lehnte mich vor.
    Er grinste und strich sich die Haare zurück. »Ich habe ein System ausgearbeitet, das nach verschiedenen physikalischen Prinzipien finanzielle Fluktuationen gegen zufällige Ereignisse kalibriert. Seitdem hat sich einiges geändert, aber prinzipiell verwende ich immer noch das gleiche System.«
    Kricks Theorie der Börsenzyklen hatte als harmloses Gedankenspiel angefangen, wie er behauptete, aber in den folgenden Jahren hatte er mit seinem System großen Erfolg an der Börse. Der Wall Street Crash war kein Unfall, sagte er. Er war eine notwendige Information in einer größeren Geschichte. Ryman, der sich weniger für Geld interessierte als Krick, hätte ihm zugestimmt. Es gibt keine Zufälle. Jeder sogenannte »Zufall«, jedes Auftreten von Turbulenz, ist Teil einer längeren oder kürzeren Sequenz, deren Ausmaße man nicht sehen kann. Zumindest sieht man sie nicht, bevor es zu spät ist, und dann bekommt man Panik, weil man merkt, wie dumm es war zu glauben, man würde das Ganze verstehen.
    Während der Depression verkaufte Krick Klaviere und jobbte als Konzertpianist für das NBC-Orchester. Eine Zeitlang war er auch Radiomoderator. Schließlich kehrte er an die Uni zurück und studierte am Caltech in Los Angeles unter Theodore von Kärmän und Robert Millikan Meteorologie. Es war sonderbar, in einem Glasgower
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