Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geometrie der Wolken

Die Geometrie der Wolken

Titel: Die Geometrie der Wolken
Autoren: Giles Foden
Vom Netzwerk:
waren die merkwürdigen Worte, die mir immer wieder durch den halbbewussten Kopf gingen, als ich, teilweise von der Welt losgelöst, zusah, wie ich die Stahlleiter der
Ilala
hinabstieg. In Wirklichkeit sah ich wohl die Klappstufen des Seglers, über die mich die Sanitäter nach draußen manövrierten. Dann legten sie mich auf eine Trage auf dem Boden und gaben mir eine Morphiumspritze.
    Danach banden sie die Wunde in meinem Leistenbereich ab und versuchten, die Blutung zu stoppen. Stur blieb ich in Afrika. Ich bleibe in Afrika, bis der Schmerz vorbei ist, sagte ich mir. Als Nächstes hoben sie meine Trage an, und die Deutschen - ich nehme an, dass es Deutsche waren - fingen an, auf uns zu schießen. Kleine Flammenstiche. Meine Träger wurden fast vom Maschinengewehrfeuer getroffen, als sie geduckt mit mir durch die Gegend rannten, wobei jede Erschütterung den dunklen Morphiumvorhang durchbrach. Ich fiel in Ohnmacht, während ich von den tapferen amerikanischen Sanitätern hierhin und dorthin getragen wurde, die durch das Durcheinander der Dünen und die allgemeine Verwirrung liefen, den künstlichen Nebel, die Mörsergranaten und das Chaos aus Stacheldraht und Betonbunkern.
    Mehrere Stunden später kam ich, zumindest halb, wieder zu mir; ich weiß nicht genau, wie viele Stunden es waren, aber es müssen viele gewesen sein, da die Seelandungen jetzt in vollem Gange waren. Die Sanitäter hatten mich zu einem Erste-Hilfe-Posten in den Dünen oberhalb des Invasionsstrandes getragen, wo wir versehentlich gelandet waren. Andere Verwundete lagen um mich herum, manche stöhnten schrecklich, andere rissen makabere Witze, doch die meisten schwiegen in gemeinsamer Unwissenheit, was geschehen würde. Zwar waren manche Gesichter grauer als andere, doch war es, als würden wir alle mit absolut gleichen Chancen auf Leben oder Tod warten.
    Der Strand unter uns war verstopft von Fahrzeugen und Soldaten, die weiter draußen von den Landungsbooten gefahren oder gesprungen waren, nachdem diese bei starker Dünung ihre Bugklappen hatten öffnen müssen. Im flachen Wasser brannte ein Panzer, und der tückische Gezeitenstrom riss Tote und Ertrinkende mit sich. Weiter draußen lagen Schiffe, so weit ich sehen konnte. Am Strand, unter den Rauchwolken im Wind, schlängelten sich Reihen von Männern hinter ein paar erfolgreich angelandeten Panzern auf die Dünen zu. Wir befanden uns zu nah an den deutschen Linien, als dass sie sehr schnell hätten vorwärts kommen können. Ein großes Geschütz schoss alle paar Minuten auf uns, dass mir fast das Trommelfell platzte, und jagte riesige Sandsäulen in die Luft, die dann wieder herabregneten und auf unserer Haut scheuerten wie Schmirgelpapier.
    Unser Prachtbursche.
    Wiedergefunden.
    Immer noch der Fellstreifen.
    Einzelne Wiederholungen, die das fiebrige Bewusstsein in Einbäumen das Kontinuum des Sees hinaufträgt zur Monkey Bay. Wo die Fischer im Schneidersitz ihre Netze ausbessern. Wo die Stößel im Mörser den Mais zerstampfen. Wo nach eigenen Regeln die leuchtende Ixia wächst. Wo geströmt und geflammt, gesprenkelt, gefleckt und gescheckt Vickers' Stammbaum gedeiht.
    Unser Prachtbursche. Wieder gefunden. Immer noch der Fellstreifen.
    Um mich von den Schmerzen, den grauenhaften Bildern und dem Lärm und Geruch explodierender Munition abzulenken, hatte ich angefangen, mir eine Phantasiegeschichte zu erzählen.
    Vickers war jetzt ein berühmter Hund, schon lange tot, aber sagenumwoben wegen seiner Wanderungen durch Nyasaland nach der Schlammlawine, verzweifelt auf der Suche nach einem Ort, an dem sein verlorenes Herrchen, d. h., mein Vater, wieder auftauchen könnte. Er ist auch bekannt für seine gescheckte und geflammte Nachkommenschaft, die von den Jägern der Gegend hoch geschätzt wird, da sie marodierenden Löwen furchtlos ins Auge blicken und Ruhe bewahren, wenn der Kudu im Blickfeld des Bogenschützen auftaucht.
    Hilflos, die Leistengegend mit Verbandszeug ausgestopft, sah ich zu, wie zahllose Soldaten den Halt verloren, während sie durch die Wellen wateten. Manche ertranken. Die, die das Land erreichten, waren oft völlig erschöpft. In diesem Moment hatte unsere Vorhersage für mich versagt, der Optimismus, den ich noch während des Fluges verspürt hatte, war verflogen.
    Ich konnte nicht hinsehen und die Augen fielen mir immer wieder zu, also kehrte ich zurück in den schützenden Kokon meiner Afrika-Phantasie und erinnerte mich daran, wie man das Kudu-Fleisch aufgeteilt hatte,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher