Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die gelöschte Welt

Die gelöschte Welt

Titel: Die gelöschte Welt
Autoren: Nick Harkaway
Vom Netzwerk:
nicht mal bei van Kottier begegnet? Guter Gott, verdammt auch, ich glaube schon!) und Reaktion P auslösen (Bummbumm, Pengschepperbumm), was zu Zustand R führt (Sauerstoffmangel, Pseudo-Vakuum, schlurrrrp) und somit B löscht (~Q, ~P, tut mir echt leid, alter Kumpel, sollte jetzt losgehen, meine Kinder müssen morgen in die Schule, und tschüss dann). Anschließend folgt
    4. So viel Geld einsacken, dass wir einen kleinen Nationalstaat kaufen, Watawabas züchten und den ganzen Tag Mangos essen können (Heißa, Halleluja, wir sind nicht dabei draufgegangen).
     
    Die Frage, die ich schon die ganze Zeit hätte stellen sollen – was wir alle unbedingt und dringend wissen wollten –, lautete: Wie, zum Teufel, konnte die Leitung, immerhin ein Teil dieses immer betriebsbereiten, unverwüstlichen und sichersten Bauwerks, das Menschen je geschaffen hatten, wie konnte ein Baustein in diesem dreifach redundanten, vielfach überprüften Werk der hingebungsvollsten Zusammenarbeit in der Menschheitsgeschichte, wie konnte dieses unverwundbare Ding überhaupt Feuer fangen? Wenn man die Frage so stellt, liegt die Antwort auf der Hand.
    Jemand hat es angezündet.
    Aber langsam. Zu der Sorte gehören wir nicht. Wir sind Leute, die etwas tun und nicht nach den Gründen fragen – von mir selbst vielleicht einmal abgesehen. Der Bürotrottel lächelte Sally Culpepper an, aber sein siegessicheres Grinsen verblasste ein wenig, als ihm bewusst wurde, dass wir sowieso nicht abgelehnt hätten und dass wir wussten, dass er wusste, dass wir vermutlich einige Leute verlieren würden. Einen Augenblick lang dachte ich, er schämte sich vielleicht. Aber dann blickte er nach unten, entdeckte seine verunstalteten, sündhaft teuren Schuhe und hasste auf einmal von ganzem Herzen diesen dummen, hässlichen und vor allem billigen Ort. Dabei suchte ein weiterer Teil seiner Bürotrottelseele das Weite, und er stellte fest, dass es ihm gleichgültig war, während er innerlich sachte ins warme Badewasser glitt, in dem ihm sowieso alles am Arsch vorbeiging.
    Seht ihn euch doch an: Das ist nicht Dick Washburn, der da vor euch steht. Nein, irgendwie nicht mehr. Dick hat sich in diesem Teil des Gesprächs zurückgezogen. Da steht nicht Richard Godspeed Washburn, der sich an seinem fünfzehnten Geburtstag eine hässliche Gehirnerschütterung zuzog, am Vorabend der Großen Löschung, worauf er die nächsten drei Wochen bei Dunkelheit und Kerzenschein in einem Krankenhaus verbringen musste, das nach und nach seine Pforten schloss, den Betrieb einstellte und in Stücke ging. Anschließend reifte er in der neuen, zerstörten Welt zum Mann. Dies ist nicht der Quick Dick von den Harley Street Boys, der – bevor die Waisenjäger kamen und ihn in eine Art Heim sperrten, bis sich die Lage wieder halbwegs beruhigt hatte – die hintere Tür eines Armeelasters öffnen und ein Stück Schokolade klauen konnte, ehe die Soldaten überhaupt etwas bemerkten. Dies ist Jorgmund persönlich. Die Firma starrt uns durch Dicks Augen an und misst uns in Form von Zahlen und Gewinnerwartungen. Natürlich ist Jorgmund kaum mehr als eine gemeinsame Halluzination, eine Gruppe von Regeln, die Richard Washburns Job betreffen. Immer, wenn er dies tut – wenn er sich aus der Welt menschlicher Empfindungen verdrückt und dem System seinen Kopf und seinen Mund zur Verfügung stellt, weil er nicht selbst entscheiden will –, nähert er sich einem Typ-C-Bürotrottel ein bisschen weiter an. Dann verliert er ein Stückchen seiner Seele. Zorn und Wut flackern in ihm auf, weil das Tier in ihm beobachten kann, wie sich die Maschine, in die er sich verwandelt, ein weiteres Häppchen seiner Seele schnappt. Es knurrt in seinem Käfig, tief hinter den geölten, gut ausgebildeten Brustmuskeln und seinem zweitbesten oder neuntbesten Anzug. Aber es ist ein sehr kleines Tier und im Grunde nicht sehr gefährlich.
    Damit war es dann erledigt. Vertrag geschlossen, Auftrag übernommen. Ich huschte zu Sally hin und murmelte ihr ins Ohr.
    »Hat sich vorhin wirklich jemand verwählt?«
    Sally schüttelte den Kopf. »Ich habe gelogen«, murmelte sie ebenso leise. »Es war eine Frau dran, die ich nicht kannte.«
    »Was wollte sie?«
    »Sie sagte, wir dürften den Job nicht übernehmen.«
    »Wie schön.«
    »Allerdings.«
    »Sonst noch was?«
    »Ja«, fuhr Sally fort. »Sie hat nach dir gefragt.«
    Sally sagte nicht: »Halt die Augen offen«, weil sie mich kannte. Und das war ganz in Ordnung so. Sie nickte knapp und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher