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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit
Autoren: Diana Gabaldon
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Glassplitter zusammen. »Und seine Hose auch.«
    Mit einer sauberen Serviette rieb sie eifrig an Rogers Schuhen. Ihre rote Mähne wippte verwirrend vor seinen Knien auf und ab. Nach einem Blick auf seine Oberschenkel betupfte sie auch die feuchten Stellen auf dem Kordsamt. Roger schloß die Augen und versuchte verzweifelt, seine Gedanken auf Massenkarambolagen, seine Steuererklärung und Monster aus dem All zu lenken - alles, was ihn davon abhielt, sich vor Brianna Randall, deren warmer Atem über den feuchten Stoff seiner Hosenbeine strich, schrecklich zu blamieren.
    »Ah, vielleicht möchten Sie den Rest selbst übernehmen?« Als er die Augen öffnete, funkelte sie ihn mit einem breiten Grinsen verschmitzt an. Mit letzter Kraft griff er nach den Servietten, die sie ihm reichte, und atmete dabei so schwer, als wäre er mit einem D-Zug um die Wette gelaufen.
    Als er den Kopf beugte, um seine Hosenbeine zu trocknen, fiel sein Blick auf Claire Randall, die ihn mit einer Mischung aus Sympathie und Belustigung musterte. Mehr verriet ihre Miene nicht - auch das blitzartige Leuchten war verschwunden, das er kurz vor dem Mißgeschick in ihren Augen entdeckt zu haben meinte. Doch vielleicht hatte er sich das auch nur eingebildet. Denn warum, um alles in der Welt, sollte Claire es mit Absicht getan haben?
     
    »Seit wann interessierst du dich für Druiden, Mama?« Brianna war offensichtlich entschlossen, sich über diese Vorstellung zu amüsieren. Schon als ich mich mit Roger Wakefield unterhielt, war mir aufgefallen, daß sie an den Innenseiten ihrer Wangen nagte und sich mühsam das Grinsen verkniff, das sich nun über ihr ganzes Gesicht breitete. »Besorgst du dir jetzt ein Bettlaken und tanzt mit?«
    »Das stelle ich mir jedenfalls aufregender vor als die Krankenhaussitzung jeden Donnerstag«, entgegnete ich. »Vielleicht nur ein
bißchen zugig in diesem Klima.« Brianna lachte so laut, daß zwei Meisen auf dem Bürgersteig vor uns erschreckt davonstoben.
    »Nein«, sagte ich, ernsthaft geworden. »Die Druidinnen interessieren mich weniger. Es gibt eine Person in Schottland, die ich einmal kannte und gern wiederfinden würde. Leider habe ich keine Adresse, denn unser Kontakt ist vor zwanzig Jahren abgerissen. Aber sie interessierte sich für Hexerei, alte Bräuche, Volkstum und so weiter. Früher hat sie in dieser Gegend gewohnt, und wenn sie noch hier ist, komme ich ihr durch solch eine Gruppe am ehesten auf die Spur.«
    »Und wie heißt sie?«
    Ich schüttelte so heftig den Kopf, daß sich die Spange aus meinem Haar löste. Zwar versuchte ich, sie aufzufangen, doch sie rutschte mir durch die Finger und fiel in das tiefe Gras am Wegrand.
    »Verdammt!« Mit zitternden Fingern durchwühlte ich die dichten Halme, und als ich die Spange gefunden hatte, bekam ich sie kaum zu fassen, weil sie vom Tau feucht geworden war. Der Gedanke an Geillis Duncan versetzte mich auch jetzt noch in Unruhe.
    »Ich weiß nicht, wie sie heißt«, erwiderte ich, während ich mir eine Strähne aus dem erhitzten Gesicht strich. »Ich meine, es ist schon so lange her, und sie hat jetzt bestimmt einen anderen Namen. Damals war sie gerade Witwe geworden, und vielleicht hat sie wieder geheiratet. Oder sie benutzt jetzt ihren Mädchennamen.«
    »Aha!« Brianna, die offensichtlich das Interesse an diesem Thema verloren hatte, schlenderte schweigend weiter. »Was hältst du eigentlich von Roger Wakefield?« fragte sie plötzlich.
    Ihre Wangen waren rosig angehaucht, aber das konnte auch an der frischen Frühlingsbrise liegen.
    »Er scheint ein sehr netter junger Mann zu sein«, begann ich vorsichtig. »Und wenn er einer der jüngsten Dozenten Oxfords ist, dann muß er auch intelligent sein.« Was man gemeinhin unter Intelligenz versteht. Doch ich fragte mich, ob er auch die bei Gelehrten so seltene Phantasie besaß. Das könnte mir nämlich eine große Hilfe sein.
    »Er hat die aufregendsten Augen der Welt«, stellte Brianna verträumt fest; die Frage nach seinem Verstand ignorierte sie. »Hast du so ein Grün schon mal gesehen?«
    »Ja. Seine Augen sind faszinierend«, gab ich zu. »Das ist mir schon aufgefallen, als ich ihn damals als Kind kennenlernte.«

    Mit gerunzelter Stirn blickte Brianna auf mich herab.
    »Deshalb konntest du dir wohl auch diese Bemerkung nicht verkneifen, als er uns die Tür aufmachte. Wie peinlich!«
    Ich lachte auf.
    »Wenn man jemanden trifft, der einem, als man ihn das letztemal gesehen hat, bis zum Nabel gereicht hat und
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