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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit
Autoren: Diana Gabaldon
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seine volle Aufmerksamkeit beanspruchte. Und so waren sie schon eine ganze Weile unterwegs, als er schließlich fragte: »Was jetzt?«
    Claire hatte sich zurückgelehnt und die Augen geschlossen. Einzelne
Strähnen hatten sich aus ihrer Haarspange gelöst. Sie reckte sich und setzte sich bequemer hin.
    »Laden Sie Brianna doch für heute abend zum Essen ein«, schlug sie vor. Essen? Irgendwie kam es Roger absurd vor, sich inmitten einer detektivischen Spurensuche auf Leben und Tod mit Essen aufzuhalten. Doch dann wurde ihm klar, daß wohl nicht nur die Entdeckungen der letzten Stunden für das hohle Gefühl in seinem Magen verantwortlich waren.
    »Nun gut«, erwiderte er. »Aber morgen...«
    »Warum bis morgen warten?« wandte Claire ein. Mittlerweile saß sie aufrecht da und kämmte sich die Haare. Mit den dicken, lockigen Strähnen, die ihr ungebändigt auf die Schultern fielen, wirkte sie plötzlich erstaunlich jung. »Nach dem Essen können Sie doch noch einmal zu Greg Edgars gehen und mit ihm reden.«
    »Woher wissen Sie, daß er Greg heißt?« fragte Roger erstaunt. »Und wenn er am Nachmittag nicht mit mir reden wollte, warum sollte er es dann am Abend tun?«
    Claire blickte ihn an, als würde sie an seiner Intelligenz zweifeln.
    »Seinen Vornamen kenne ich, weil ich ihn auf einem Brief in seinem Kasten gelesen habe. Und er wird heute abend mit Ihnen reden, weil Sie ihm eine Flasche Whisky mitbringen.«
    »Sie glauben, dann wird er mich hereinbitten?«
    Amüsiert blickte sie ihn an. »Haben Sie die Batterie leerer Flaschen in seiner Mülltonne nicht gesehen? Natürlich wird er Sie hereinbitten, und zwar in dem Moment, wo er Sie sieht.«
    Sie ließ sich zurücksinken und schob die Fäuste in die Taschen, den Blick geistesabwesend aus dem Fenster gerichtet.
    »Sie könnten Brianna bitten, Sie zu begleiten«, meinte sie leichthin.
    »Aber sie hat doch gesagt, sie will mit alldem nichts zu tun haben«, wandte Roger ein.
    »Dann erzählen Sie ihr vorher nicht, worum es bei dem Besuch geht«, schlug sie in einem Ton vor, der Roger daran erinnerte, daß sie Oberärztin in einem großen Krankenhaus war.
    Obwohl seine Ohren glühten, erwiderte er trotzig: »Sie können wohl kaum vor ihr verbergen, daß wir beide...«
    »Ich nicht«, fiel Claire ihm ins Wort. »Sie. Ich habe etwas anderes zu erledigen.«
    Jetzt reicht’s mir aber, dachte Roger. Er lenkte den Wagen an den
Straßenrand und hielt mit quietschenden Reifen. Dann funkelte er Claire wütend an.
    »So, so, etwas anderes«, schimpfte er. »Prima, das gefällt mir! Sie hängen mir den Job an, einen Trunkenbold auszuforschen, der mir wahrscheinlich eins über die Rübe haut, sobald ich in sein Blickfeld komme, und Ihre Tochter soll mich begleiten und dabei zusehen. Soll sie mich vielleicht ins Krankenhaus fahren, nachdem dieser Edgars mir die Flasche über den Schädel gezogen hat?«
    »Nein«, entgegnete Claire, ohne auf seinen wütenden Ton einzugehen. »Aber ich glaube, gemeinsam mit Greg Edgars könnte es Ihnen gelingen, Brianna davon zu überzeugen, daß Gillian Edgars die Frau ist, die ich als Geillis Duncan kennengelernt habe. Brianna hört mir nicht zu. Sie würde auch Ihnen nicht zuhören, wenn Sie ihr erzählen wollten, was wir heute im Institut erfahren haben. Aber Greg Edgars wird sie wohl anhören.« Ihre Stimme klang flach und verbittert, und Roger merkte, wie sein Ärger verebbte. Er startete das Auto und fädelte sich wieder in den Verkehr ein.
    »Na gut, ich werde es versuchen«, sagte er widerwillig, ohne sie anzublicken. »Und womit werden Sie sich beschäftigen?«
    Sie griff in ihre Tasche und zog einen kleinen metallenen Gegenstand heraus. Einen Schlüssel.
    »Ich werde dem Institut einen Besuch abstatten«, erwiderte sie. »Ich will das Notizbuch haben.«
     
    Nachdem Claire mit einer Entschuldigung zu ihrer »Besorgung« aufgebrochen war - an die Roger nicht denken konnte, ohne daß ihn ein Schauder überlief -, fuhr er mit Brianna zu einem Pub. Aber weil der Abend so schön und mild war, beschlossen sie kurzerhand, mit dem Essen noch zu warten. Während sie am River Ness entlanggschlenderten, vergaß Roger seine gemischten Gefühle angesichts dessen, was ihm noch bevorstand.
    Zunächst achteten sie auf jedes Wort, um keine neuen Unstimmigkeiten aufkommen zu lassen. Doch sobald sich das Gespräch Rogers Arbeit zuwandte, wurde es lebhafter.
    »Wieso kennst du dich in Geschichte so gut aus?« unterbrach Roger sie einmal mitten im
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