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Die Gelehrten der Scheibenwelt

Die Gelehrten der Scheibenwelt

Titel: Die Gelehrten der Scheibenwelt
Autoren: Terry Pratchett
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1600 m im Durchmesser haben. Aber selbst das ist immer noch nicht praktikabel genug.
    Um auf akzeptable Abmessungen zu kommen, muß die Zugfestigkeit des Kabels mindestens 62,5 Gigapascal betragen – dreißigmal mehr als die von Stahl und das Siebzehnfache der von Kevlar. Solche Materialien gibt es: Am bekanntesten ist Kohlenstoff-Nanotube, ein Kohlenstoffmolekül in Gestalt eines Hohlzylinders und mit dem berühmten Molekül Buckminsterfulleren verwandt, welches aus 60 Kohlenstoffatomen besteht und die Form eines Fußballs hat. Die Zugfestigkeit einer Kohlenstoff-Nanotube beträgt mindestens 130 Gigapascal, mehr als das Doppelte der notwendigen. Der einzige Haken ist, daß die längsten Kohlenstoff-Nanotubes, die wir bisher herzustellen vermögen, nur ein paar Tausendstel Millimeter lang sind. Wenn man diesen Wert aber auf 4 mm steigern könnte, könnten die Nanotubes in einen Verbundstoff von der nötigen Stärke eingebettet werden.
    Ein zweites Problem ist die Basis. Je höher sich das untere Ende des Kabels über dem Erdboden befindet, um so mehr Material wird am oberen Ende eingespart, an dem sich der Großteil der Masse befindet. Darum hat das Kabel in unserer Geschichte eine riesige ›ausgezehrte Wellhornschnecke‹ an seiner Basis. Die NASA-Studie ist zu dem Schluß gekommen, daß ein mindestens zehn Kilometer hoher Turm am geeignetsten wäre. Man könnte ihn auf einen Berggipfel bauen, um die benötigte Höhe zu vermindern, aber dann würde, wenn das Kabel reißt, ein Großteil der Trümmer auf Land fallen. Also wäre ein Turm im Ozean am Äquator sinnvoller. Mit gegenwärtigen Baumethoden könnte im Prinzip ein zwanzig Kilometer hoher Turm errichtet werden.
    Das letzte Konstruktionsproblem ist, wie man an dem Kabel Kapseln auf und ab bewegt. Welche Methode man auch immer verwendet, sie muß niedrigen Wartungsaufwand und hohe Geschwindigkeiten liefern. Magnetschwebetechnik würde sich da gut machen.
    Danach ist es hauptsächlich eine Frage, das Kabel vor Meteoritentreffern und einfallenden hochenergetischen Teilchen zu schützen. Ein Kinderspiel.
    Wenn man seinen Weltraumlift gebaut hat, ist man in der Lage, andere Welten zu kolonisieren. Das naheliegende erste Ziel ist der Mars. Man kommt in einer Wolke kleiner, in Massenproduktion hergestellter Schiffe hin, und wenn man angekommen ist, läßt man als eine der ersten Handlungen ein Kabel hinabhängen und baut einen marsianischen Weltraumlift. Man ist ja sowieso in der Umlaufbahn, warum also nicht die Gelegenheit nutzen? Da haben wir wieder den metaphorischen Aspekt des Weltraumlifts: Sobald es auch nur einen gibt, eröffnet er ein breites Spektrum neuer Möglichkeiten. Allerdings müßte man eine Gruppe mit anderen Mitteln aus dem Planeten landen lassen, um den Komplex am Boden zu bauen, wo das Kabel befestigt wird.
    Mars ist kein übermäßig großartiger Platz zum Leben, also wäre der nächste Schritt, ihn zu terraformieren – ihn erdähnlicher zu machen. Es gibt ziemlich plausible Methoden, das zu tun, die in Kim Stanley Robinsons Romantrilogie Roter Mars, Grüner Mars, Blauer Mars ausführlich dargestellt werden. Der Mars ist keine Verbesserung, wenn es zu Meteoriteneinschlägen kommt, aber wenigstens ist es unwahrscheinlich, daß die Kolonie auf dem Mars gleichzeitig mit der Hauptbevölkerung auf der Erde ausgelöscht wird. Da das Leben reproduktiv ist, kann ein Planet, falls die Menschheit auf ihm tatsächlich ausgelöscht werden sollte, leicht wieder von dem anderen aus besiedelt werden. Nach ein paar Jahrhunderten wäre kaum noch ein Unterschied auszumachen. Trotzdem könnte es besser sein, mehr Ehrgeiz zu entwickeln und zu den Sternen zu fliegen. Bis wir soweit sind, werden wir Interferometer-Teleskope entwickelt haben, die gut genug sind, um Sterne zu finden, die geeignete Planeten besitzen. Das einzige Problem wird sich dann aus der Frage ergeben, wie man dorthin gelangt.
    Eine Methode – für den Fall, daß alles andere versagt – ist das Generationenraumschiff – ein großer Flugkörper, der einer ganzen Großstadt von Menschen Raum bietet, die im Laufe einer jahrhundertelangen Reise leben, sich fortpflanzen, sich weiterbilden und sterben. Wenn man das Schiff groß und interessant genug baut, können sie sogar das Interesse am Ziel verlieren. Die Scheibenwelt kann fast als solch ein Schiff gelten: Sie ist unterwegs, die Bewohner wissen nicht, wohin, die Konstrukteure haben sie mit einer kleinen regelbaren Sonne versehen (und damit
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