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Die Gelehrten der Scheibenwelt

Die Gelehrten der Scheibenwelt

Titel: Die Gelehrten der Scheibenwelt
Autoren: Terry Pratchett
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besprochen, sowohl als ernsthafte technische Idee wie auch als Metapher; jetzt werden wir noch ein paar Einzelheiten nennen. Im Grunde beginnt der Weltraumlift als Satellit in einer geostationären Umlaufbahn. Dann läßt man ein Kabel herabhängen, und danach braucht man nur noch eine geeignete Kabine zu bauen und wiederum das geeignete Material für das Kabel zu finden. Man befördert das Material nach oben, indem man Raketen oder eine ganze Kaskade von Bolas benutzt (und wenn man erst einmal ein dünnes Kabel hat, kann man daran das Material für ein dickeres hinaufholen). Das alles braucht man nur einmal zu tun, daher sind die Kosten auf lange Sicht ohne Bedeutung.
    Wie wir eingangs betont haben: Sobald ebensoviel Verkehr abwärts wie aufwärts geht, kann man den Boden gratis verlassen und benötigt (fast) keine Energie. Dann baut man seine interplanetaren Raumschiffe im Weltraum und verwendet Rohstoffe vom Mond oder aus dem Planetoidengürtel. Der Weltraumlift bietet einem also einen neuen Ausgangspunkt – darum haben wir ihn als Metapher für Prozesse wie das Leben verwendet.
    Die Idee des Weltraumlifts wurde 1960 von dem Leningrader (St. Petersburger) Ingenieur J. N. Arzutanow in einem Artikel in der Prawda entwickelt. Er nannte ihn ›Himmels-Seilbahn‹ und berechnete, daß er täglich 12 000 Tonnen in die Umlaufbahn befördern könnte. Dank John Isaacs, Hugh Bradner und George Backus wurden 1966 westliche Wissenschaftler auf die Idee aufmerksam. Diese Wissenschaftler waren nicht daran interessiert, wie man in den Weltraum kommt: Es waren Ozeanographen, die einzigen Leute, die sich nachhaltig dafür interessieren, wie man Dinge an lange Kabel hängt. Nur daß sie sie zum Grund des Ozeans hinabhängen lassen wollten, nicht in den Weltraum hinauf. Die Ozeanographen wußten nichts von der früheren russischen Arbeit, doch bald wurde auch Arzutanows Projekt im Westen bekannt. Der Kosmonaut und Maler Alexej Leonow veröffentlichte 1967 ein Bild von einem Weltraumlift in Aktion.
    Solch eine einfache, aber größtenteils unpraktikable Idee kommt meistens vielen Leuten, ohne allgemein bekannt zu werden, eben weil sie für die Technik der Gegenwart und der nahen Zukunft nicht praktikabel ist, und das bedeutet, daß viele Leute sie unabhängig voneinander erfinden. 1963 erwog der Science Fiction-Autor Arthur C. Clarke, einen tieferen Satelliten mit einem Kabel an einem geosynchronen Satelliten aufzuhängen, um die Anzahl der praktisch geosynchronen Satelliten für Nachrichtenzwecke zu erhöhen. Später wurde ihm klar, daß dieselbe Methode zu einem Weltraumlift führen würde, und er entwickelte diese Idee in seinem Roman Fahrstuhl zu den Sternen . 1969 erwogen A. R. Collar und J. W. Flower ebenfalls, einen tieferen Satelliten mit einem Kabel an einem geostationären Satelliten aufzuhängen. Und 1975 schlug Jerome Pearson einen ›Orbitalturm‹ vor, was im Grunde dieselbe Idee war.
    Man kann natürlich mehr als ein Kabel herabhängen lassen – hat man erst einmal einen Weltraumlift, kann man alles, was man braucht, billig in den Raum befördern, warum also nicht gleich Nägel mit Köpfen machen? Charles Sheffields Ein Netz aus tausend Sternen entwirft einen ganzen Ring von Weltraumlifts rund um den Äquator. Das ist es, was die Zauberer entdeckt haben. Da die menschliche Zivilisation sich in so kurzer Zeit entwickelt hat, haben die Zauberer uns allerdings verpaßt …
    Ist der Weltraumlift mehr als nur eine wüste Phantasie? Könnte in naher Zukunft wirklich einer gebaut werden? 2001 führten zwei NASA-Teams Machbarkeitsstudien durch, und beide kamen zu dem Schluß, daß der Weltraumlift technisch möglich ist. David Smitherman, der Leiter eines der Teams, schätzt, daß bis 2100 einer in Betrieb gehen könnte.
    Das Hauptproblem ist das Kabel. Die Zugkraft im Kabel ist in Bodennähe am geringsten und am oberen Ende am größten, da jeder Abschnitt des Kabels nur das Gewicht der darunterliegenden Abschnitte tragen muß. Das Kabel könnte also am Boden dünn und oben dicker gestaltet werden. Die große Frage lautet: Welches Material besitzt genug Zugfestigkeit? Stahl genügt nicht: Ein Stahlkabel von 10 cm Durchmesser am Boden müßte am oberen Ende 4 Billionen km dick sein. (Das ist so die Art eines Ingenieurs zu sagen: ›Verwenden Sie keinen Stahl.‹ Er ist zu schwer, und die Beanspruchung wächst außerordentlich schnell, wenn das Kabel länger wird.) Kevlar wäre geeigneter: Das obere Ende müßte dann nur
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