Die Geisel

schaute nach links und flüsterte etwas.
    Driver streckte die Hand nach seinem rechten Schuh aus.
    »Nein, nein, Mann«, sagte Bandana. »Du musst warten, bis wir weg sind.«
    Die Mexikaner boxten sich gegenseitig in die Rippen und lachten sich kaputt, als sie sahen, was er hervorzog.
    »Guck dir das an«, sagte Haarnetz. »Du musst das Ding weglegen, cholo . Du musst das weglegen.«
    » Madre de Dios«, sagte der andere.
    Haarnetz schlug die Hand vor den Mund und sah gerade noch, wie Driver den Dübel durch das Loch im Zahnbürstengriff schob. Er beugte sich zu seinem Freund hinüber und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Beide sahen zu, wie Driver die Arme vor der Brust verschränkte, so dass seine Hände nicht mehr zu sehen waren.
    Kurtz war absolut haarlos. Durch die fehlenden Augenbrauen schienen seine blauen Augen haltlos in seinem Gesicht zu schwimmen. Er war beinahe ebenso breit wie hoch, und sein teigiges weißes Fleisch erfüllte den Umkleideraum mit dem Geruch nach Kampfer und altem Schweiß. Sein dicker Wanst hätte einen normalen Schwanz verdeckt. Die fetten Finger an seiner rechten Hand krümmten sich, als er ein erigiertes Anhängsel massierte, das mehr wie ein Abflussrohr als wie ein Penis aussah.
    Er hatte eine seltsam hohe Stimme. »Hände und Knie«, sagte er.
    Als Driver sich nicht rührte, schlurfte Kurtz auf ihn zu. Plötzlich riss er beide Arme auf Schulterhöhe hoch.
    »Ich muss dich wohl 'n bisschen runter würgen, Mr. Navy.«
    Im letzten Augenblick kam Drivers rechte Hand unter seinem Arm hervor und schoss auf Kurtz zu, der tat, was er immer tat, wenn jemand nach ihm schlug. Er senkte seinen großen, kahlen Kopf und wartete auf das Geräusch brechender Knochen, das ihm mitteilen würde, dass der Spaß jetzt ernsthaft anfing.
    Die Plastikspitze der Zahnbürste hatte Kurtz' kahlem Schädel nichts entgegenzusetzen. Der Aufprall verbog den Stiel und ließ Drivers Arm taub werden. Die scharf geschliffene Spitze rutschte über die verschwitzte Fläche und zog dabei eine blutige Furche quer über den Schädel, bis sie auf der Suche nach weicherem Fleisch an der Seite des Gesichtes hinabglitt. Das spitz gefeilte Ende bohrte sich schließlich durch Kurtz' rechte Wange, drang in einem Fünfundvierzig-Grad-Winkel in seine Mundhöhle ein, durchspießte seine Zunge und heftete sie an das weiche Gewebe seines Mundbodens.
    Kurtz drehte durch. Er stürzte sich auf Driver, rammte ihm den Kopf ins Gesicht und schleuderte ihn so hart gegen die Wand, dass drei von Drivers Rippen brachen.
    Bei seiner Anhörung wurde Driver mitgeteilt, er habe noch ein Dutzend Mal auf Kurtz eingestochen, unter anderem einmal durch jedes Auge. Zudem habe er noch auf einen der Wachmänner eingestochen, der versucht hatte, die beiden zu trennen. Das alles war Driver vollkommen neu. Von dem Augenblick an, als Kurtz ihn gegen die Wand des Duschraums gerammt hatte, erinnerte er sich an überhaupt nichts mehr.
    Nach vierzehn Tagen im Lazarett und sechzig Tagen Isolationshaft, wurde er kurzerhand nach Meza Azul überstellt. Wieder Wand an Wand mit Cutter Kehoe. Trautes Heim – bis Driver in die Strafzelle verlegt worden war. Und hier waren sie nun.
    »Hey«, rief Cutter Kehoe.
    Driver riss den Blick von dem toten Wachmann los, der über den Asphalt geschleift wurde. Er blinzelte ein paarmal und sah sich um.
    »Werd jetzt bloß nich' weich, Captainman. 'ne Menge Jungs da drin zählen drauf, dass du sie ins Gelobte Land führst.«
    »Die meisten von denen sind doch längst im Gelobten Land.«
    »Was glaubst du, wie lange wird's dauern, bis die den Laden stürmen?«
    »Keine vierundzwanzig Stunden. Länger werden sie's nicht laufen lassen. Ist schlecht für die Moral.«
    Kehoe deutete mit einem Kopfnicken auf den toten Wachmann. »Das da wer'n sie nich' durchgeh'n lassen.« Er schüttelte den Kopf. »Die Bullen machen meinen Arsch platt, Captainman, garantiert. Die finden schon irgendwas … Irgend 'nen Grund, weshalb ich abkratzen muss.«
    »Vielleicht. Vielleicht auch nicht«, erwiderte Driver.
    Seine Worte ließen Kehoe wie angewurzelt stehen bleiben. Mit einem angedeuteten Lächeln kam er auf Driver zu und pflanzte sich dicht vor ihm auf. »Hast du irgendwas am Laufen?«
    »Nur so 'ne Idee«, wiegelte Driver ab.
    »Und was für 'ne Idee soll das sein?«
    »Eine, die uns hier rausbringt, bevor die Army anrückt.«
    »Was du nich' sagst.«
    »Ist 'ne riskante Sache.«
    »Isses doch immer.«
    »Hast du mit den Fahrern gemacht, was ich dir