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Die Geisel

Die Geisel

Titel: Die Geisel
Autoren: G. M. Ford
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der Kabine.
    »Driver hatte einen Termin für eine medizinische Untersuchung. Wir vermuten, dass er das Team, das ihn abholen sollte, irgendwie überwältigt hat.« Romero zuckte die Achseln und schluckte schwer. »Irgendwie muss er …«, er suchte nach dem passenden Wort, »muss er den Wachtrupp dazu gebracht haben, ihm den Sicherheitscode zu verraten.«
    »Und die biometrische Erkennung?«
    »Keine Ahnung.«
    Die beiden Männer wechselten nervöse Blicke. Das Bild auf dem Monitor zeigte jetzt das Innere des Kontrollzentrums. Ein Afroamerikaner in einem gestärkten weißen Hemd schwang auf seinem Drehstuhl zu den Aufzugtüren herum, als der Mann in Blau heraustrat und auf die Überwachungsmonitore zeigte: »Überprüfen Sie Nummer dreiundsechzig«, sagte er befehlend.
    Wortlos drehte sich der Mann in Weiß um und ließ die Finger über die Tastatur huschen. Was auf Monitor 63 hätte erscheinen sollen, würde für immer ein Geheimnis bleiben, denn Driver schlang einen dünnen Draht um den Hals des anderen, drehte ihn blitzschnell im Nacken zu und begann dann mit solcher Kraft zu ziehen, dass er den Mann in Weiß von seinem Stuhl hob. Seine Finger klammerten sich um seine Kehle, und seine Augen traten aus ihren Höhlen, während sich kleine Blutrinnsale über das weiße Hemd und die Brusttasche mit dem Logo der Randall Corporation ergossen. Er begann zu krampfen, seine Beine schlugen auf den harten Steinfußboden, sein offener Mund spuckte …
    James Blaine wandte das Gesicht ab. Während der Gouverneur damit beschäftigt war, sein Mittagessen bei sich zu behalten, griff Romero wieder um ihn herum und drückte die Stopptaste. Schweigen füllte den Raum wie schmutziges Wasser.
    »Das hätte nicht möglich sein sollen«, würgte James Blaine hervor.
    Elias Romeros Miene blieb versteinert. »Ja, Sir« war alles, was er zu sagen wagte.
    Der Gouverneur hatte recht. Vom ersten Tag an war Meza Azul im Bundesstaat Arizona dafür geplant worden, die schlimmsten Verbrecher der Vereinigten Staaten aufzunehmen. Schlimmer noch, das Gefängnis war das Herzstück einer ganzen Stadt, deren Existenz sich auf zwei Annahmen gründete: dass Meza Azul hundertprozentig ausbruchssicher war und dass die Einkerkerung von Gefangenen ein hochprofitables Geschäft sein konnte.
    Im Unterschied zu vielen ihrer Vorgänger war MA, wie seine Einwohner es gern nannten, nicht aus einem jener kleinen Minenstädtchen entstanden, die sich an die zerklüfteten Sandstein- und Granithänge der nahe gelegenen San Cristobal Mountains klammerten. Und auch nicht aus einer jener staubbedeckten Posthaltereien, die sich am Boden des Tals als Geisterstädte ausgaben.
    Nein, die Privatisierung des Strafvollzugs in Arizona hatte dazu geführt, dass die Ansiedelung und die personelle Ausstattung von Gefängnissen vollkommen neu überdacht wurden. Während der Staat es vorgezogen hatte, eine jener längst ausgestorbenen Geisterstädte wiederzubeleben, hatte die Privatwirtschaft rasch erkannt, wie unsinnig dieser Ansatz war.
    Eine bereits existierende Stadt zu übernehmen bedeutete zuerst einmal, auch ihre Einwohner zu übernehmen, von denen, so traurig das war, nicht viele den Anforderungen für eine Anstellung in einem modernen Hochsicherheitsgefängnis genügten. Wenngleich der erste Bericht an den Generalstaatsanwalt noch Begriffe wie ›Bildbarkeit‹ und ›technologische Rückständigkeit‹ enthalten hatte, um das Problem mit der lokalen Bevölkerung zu umschreiben, so war doch allgemein klar, dass dies bedeutete, dass es sich hierbei um Menschen handelte, die vor dem Fortschritt zurückschreckten; jene Ikonoklasten, die zurückbleiben, während die Karawane weiterzieht, waren entweder zu schlau, zu dumm oder zu faul, um für ein junges, dynamisches Unternehmen, wie es die Randall Corporation im Sinn hatte, von Nutzen zu sein.
    Natürlich konnten sie so etwas nicht direkt offen aussprechen, also hatten sie ihre Empfehlungen in wesentlich nettere Formulierungen wie ›familienfreundlich‹ und ›in sich geschlossen‹ verpackt. Und so wurde Meza Azul, Arizona, geschaffen.
    Lkw-Fahrer auf der Interstate 506 schworen, der Gebäudekomplex sei über Nacht aus dem Boden gestampft, sei quasi direkt vom Reißbrett ausgeschnitten und in einem Stück in den Wüstensand gesetzt worden: Gefängnis, Häuser, Schule, Postamt, Golfplatz, Kino, Schwimmbad, Palmen und so weiter. Voilà. Heute fort. Morgen hier. Willkommen im 21. Jahrhundert.
    In den letzten siebeneinhalb Jahren
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