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Die Geisel

Die Geisel

Titel: Die Geisel
Autoren: G. M. Ford
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rechts, so dass sein Oberkörper fast auf dem Beifahrersitz lag. Überall schlugen Kugeln ein. Die Einrichtung des Wohnmobils ging um ihn herum in Fetzen, wurde durch den Kugelhagel pulverisiert.
    Das Wohnmobil rammte die Straßensperre und wischte die Wagen beiseite, wie eine Kuh Fliegen wegwedelt. Er setzte sich gerade noch rechtzeitig auf, um den Splitthaufen zu umfahren, dann schnell nach links einzuschlagen und so auf den Highway zu gelangen, wo er mit quietschenden Bremsen und rauchenden Reifen zum Stehen kam.
    Völlig verblüfft, dass er noch am Leben war, lächelte Driver, als er den Sicherheitsgurt aufschnappen ließ. Er stöhnte auf, als er sich vorbeugte und den Karabiner aus den Trümmern holte, die den Boden bedeckten. Dann zog er den Türgriff nach oben und schickte sich gerade an auszusteigen, als ihm war, als höre er jemanden singen. Er schaute auf.

56
    Die Jungs nannten sie Wanda. Wanda Lackanooky. Das Hula-Püppchen, das mit einer Feder auf das Armaturenbrett geklebt war, tanzte wie wild. Ray Lofton hatte sein kleines Radio zwischen Wanda und die Windschutzscheibe gestellt. Jimmy Buffett war gerade › wastin' away in Margaritaville again ‹, und Ray Lofton würde sich gleich zu ihm gesellen.
    Er ließ den alten Laster im höchsten Gang mit vollem Tempo dahinrollen und sauste bergab wie die Atchison-Topeka-Santa-Fe-Bahn. »But there's booze in the blender . And soon it will render that frozen concoction that helps me hang on.« Voll bis unters Dach, mit mehr zusammengepresstem Müll im Gedärm als je zuvor, war das alte Mädchen ziemlich kopflastig und wenig kooperativ. »Genau wie meine erste Frau«, ging es Ray durch den Kopf. Er grinste breit.
    Damit nicht noch irgendetwas seine Pläne für den Nachmittag durchkreuzen konnte, beschloss Ray, nichts zu riskieren, und begann schon weit vor der steilen Kurve bei Blue Creek vorsichtig auf die Bremsen zu treten. Er holte oben an der Serpentine so weit aus wie irgend möglich und lehnte sich dann in die Biegung. » Searching for my lost shaker of salt .« Er grölte den Text mit und drehte das Lenkrad.
    Ray sang noch immer aus vollem Halse, als sein schlimmster Albtraum Wirklichkeit wurde. Mitten in der Kurve, quer über beide Fahrspuren, stand ein riesiges braun-weißes Wohnmobil.
    »… Nibblin' on sponge cake …« Der Text erstarb in seiner Kehle. Er hatte keine Möglichkeit mehr auszuweichen. In dem kurzen Augenblick vor dem Aufprall trat er mit beiden Füßen auf die Bremsen, doch die Wirkung war gleich null. Der Laster kam ins Schleudern, rutschte seitwärts.
    Er prallte mit voller Wucht in das Wohnmobil, mitten in die Fahrertür. Der Aufprall riss das Führerhaus komplett los und ließ es in einem Wirbel aus Funken und Staub vor dem entfesselten Mülllaster über die Fahrbahn schlittern.
    Ray wusste, was kommen musste. Sah den Mann mit dem Gewehr, halb drinnen, halb draußen. Fühlte, wie er die Kontrolle über seinen Wagen verlor. Wie die tonnenschwere Last aus Flaschen über seinem Kopf anfing, ihn umzukippen. Er riss das Lenkrad hart zur anderen Seite, aber vergeblich. Schwerkraft und Zentrifugalkräfte hatten die Herrschaft übernommen. Mit der Anmut eines sich suhlenden Schweins rollte sein Laster sich auf die Seite.
    Ray konnte das Lenkrad nicht mehr halten und fiel hart auf die untere Seite der Fahrerkabine. Unter seiner rechten Schulter konnte er spüren, wie der Straßenbelag die Tür in Stücke riss. Und dann hörte er die Flaschen. Krachend und klingend, mit einem Lärm wie von tausend betrunkenen Glöcknern, ergoss sich tonnenweise Glas aus dem Laderaum und zerschellte auf der Fahrbahn.
    Und dann hörte der Laster auf einmal auf zu rutschen, und alles war still.
    Nur das Radio spielte noch. » Some people claim that there's a woman to blame … and I know … it's my own damn fault .«

57
    Der letzte Rettungswagen, der den Berg hinabfuhr, transportierte die sterblichen Überreste von Bob Temple, oder zumindest die Teile, die man bis zum Einbruch der Dunkelheit hatte finden können. Corso hörte, wie der leitende Beamte des Forest Service für den nächsten Morgen um sieben Uhr einen zehnköpfigen Suchtrupp orderte, in der Hoffnung, den Rest ihres toten Kameraden zu finden.
    Zuvor hatten die Rettungshelfer sich damit zufriedengeben müssen, die Lebenden abzutransportieren. Er hatte einen Sanitäter sagen hören, dass sie jede Ambulanz und jeden Rettungswagen in hundert Kilometer Umkreis gerufen und immer noch zwei Wagen zu wenig
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