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Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Titel: Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)
Autoren: Melissa Fairchild
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Lieber wollte er gemeinsam mit ihr untergehen, als sie wieder zu verlieren. Brucie hatte die Arme so eng um seinen Hals geschlungen, dass er kaum noch Luft bekam. Er schloss die Augen und wartete darauf, vom Abgrund verschlungen zu werden.

    Avi schlug die Augen auf. Etwas bedeckte sein Gesicht: eine Hand. Er schob sie weg.
    »Ich bin es nur«, sagte Hannah. »Avi, wir haben es geschafft.«
    Sie zog ihn auf die Füße. Hinter ihrem Kopf ging die Sonne auf und verwandelte ihr zerzaustes Haar in eine hellbraune Mähne.
    Rings um sie ragten die uralten Monolithen von Stonehenge wie schon seit vielen Jahren aus dem Boden. Allerdings fehlten einige der kleineren Steine, und ein paar größere waren umgekippt. Außerdem wirkten sie sauberer und waren zum Großteil vom Moos befreit. Ringsherum befand sich ein ordentlicher Drahtzaun. Ein gepflegter Pfad führte vom äußeren Steinkreis zu einem rechteckigen Parkplatz, wo bereits der erste Bus einfuhr.
    »Wir müssen verschwinden«, meinte Hannah. »Sie mögen es nämlich gar nicht, wenn sich Touristen über Nacht bei alten Sehenswürdigkeiten herumdrücken.«
    Und wirklich zeigten die Leute, die aus dem Bus stiegen, schon mit dem Finger auf sie. Hierzubleiben war also nicht ratsam. »Sind wir etwa Touristen?«, fragte Avi.
    »Wir sind jetzt in meiner Welt«, erwiderte Hannah mit einem strahlenden Lächeln. »Aber ich fühle mich irgendwie nicht wie früher. Die Dinge haben sich verändert.«
    »Zum Besseren?«
    Sie überlegte. »Ich bin nicht sicher, ob ich je wieder hier zu Hause sein werde.«
    »Das kann ich nachvollziehen.«
    »Andererseits ist man immer dort zu Hause, wo das Herz ist. Und in dieser Welt gibt es jemanden, nach dem ich unbeschreibliche Sehnsucht habe.«
    »Ich weiß.«
    Etwas bewegte sich unter Avis Mantel. Es war Brucie, die trotz eines großen Blutergusses auf der Wange breit lächelte.
    »Ich glaube, du hast dir einen Orden verdient, Avi«, sagte sie. »Und was jetzt?«
    Avi wies mit dem Kopf auf den Bus.
    »Denkst du, der fährt in Richtung Primrose Hill?«

Kapitel 36
    D er Tower von London sah fast genauso aus, wie Avi ihn aus dem Feenreich in Erinnerung hatte. Der größte Unterschied war, dass man das Wasser im Burggraben abgelassen hatte und dass sich inzwischen mehr Gebäude um den weißen Turm drängten. Es machte ihn traurig, so als hätte der Lauf der Zeit die Burg ihrer Macht beraubt und sie geschwächt. Außerdem gab es hier keine Goblins mehr, sondern nur noch Touristen aus den verschiedensten Ländern. Die Soldaten in ihren Uniformen erfüllten lediglich einen dekorativen Zweck.
    »Bist du sicher, dass es richtig für dich war, hierher zurückzukommen?«, erkundigte er sich bei Hannah, als sie einen Fußweg mit Blick auf die Burg entlangschlenderten. Obwohl sie sich nun schon seit mehreren Tagen wieder in der Menschenwelt befanden, war sich Avi immer noch unsicher.
    »Dasselbe könnte ich dich auch fragen«, meinte sie. Sie hatte sich die Haare schneiden lassen. Nun waren sie wieder kurz und stachelig wie bei ihrer ersten Begegnung im Taxi. Avi gefiel es so. »Aber bist du einverstanden, wenn wir nicht reingehen? Das ist mir zurzeit noch zu viel.«
    »Wohin willst du dann?«
    »Du wirst schon sehen.«
    Der Fußweg brachte sie zur Tower Bridge. Ein Schiff mit einem hohen Mast fuhr vorbei, und sie warteten, während die Brücke aufgeklappt wurde, um es durchzulassen.
    »Wie geht es deiner Mutter?«, wollte er wissen, als sie beobachteten, wie das Schiff durch die Lücke segelte.
    »Ausgezeichnet. Genau genommen sogar wunderbar. Sie möchte dich zum Essen einladen, um sich richtig bei dir zu bedanken.«
    »Bedanken? Wofür denn?«
    Hannah griff nach seiner Hand. »Ich habe letzte Nacht mit ihr geredet. Unser erstes richtiges Gespräch, seit ich wieder hier bin.« Sie hielt inne. »Eigentlich unser erstes richtiges Gespräch seit Jahren.«
    »Worüber?«
    »Warum ich weggelaufen bin. Vier Monate sind eine lange Zeit. Sie lag im Krankenhaus, und es sah aus, als müsse sie an einem Gehirntumor sterben. Dann bist du aufgetaucht und hast ihre Hand gehalten, und sie ist gesund geworden. Als sie sie eine Woche später nach Hause geschickt haben, war ich verschwunden. Kein Wunder, dass sie die Polizei verständigt hat.«
    »Nur dass die dich dort, wo du warst, niemals gefunden hätte.«
    Hannah zuckte mit den Achseln. »Für die Polizei war ich nur eine von den vielen Jugendlichen, die von zu Hause abhauen. Mum hat überall Plakate aufgehängt und
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