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Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Titel: Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)
Autoren: Melissa Fairchild
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zulaufenden Helme sahen plötzlich aus wie ebenholzfarbene Schnäbel. Einer nach dem anderen wurden die Gardisten vom Weißen Turm zu riesigen Raben. Bald flog der gesamte Schwarm, ließ sich vom Wind tragen und näherte sich unaufhaltsam dem Peretah.
    »Ach herrje«, seufzte Hannah. »Offenbar hast du die Lage richtig eingeschätzt, Avi.«
    Sie zerrte an den Zügeln und stieß dem Tier noch fester die Fersen in die Flanken. Das Peretah fauchte und flog schneller. Die Windgeschwindigkeit verdoppelte sich erst ein-, dann zweimal, so dass Avi kaum noch Luft bekam. In niedriger Flughöhe sausten sie am Kirchturm vorbei und über den Fluss stromaufwärts wie ein aus einer Armbrust abgeschossener Bolzen.
    »Ich habe dir doch gesagt, dass diese Biester schnell sind!«, überschrie Brucie das Brausen des Windes.
    In rasendem Tempo passierten sie den Westminster Palace. Dort hatten sich weitere Soldaten von Arethusa versammelt, deren smaragdgrüne Fahnen sich grell vom Schnee abhoben. Wo das Palastgelände am Fluss endete, beobachtete Avi eine hochgewachsene, in weißen Hermelin gehüllte Gestalt, die auf einen Schwarm riesenhafter Schwäne zusteuerte. Die Schwäne waren vor ein seltsames Gefährt gespannt, das sich vor seinen Augen zu verändern schien. Erst war es eine Jacht, dann ein Luftschiff und schließlich ein gewaltiger und hauchzarter Distelsame.
    Die Schattenbarke.
    Kellen war ihm bereits auf den Fersen, nun machte sich auch seine Mutter an die Verfolgung.
    »London zu verlassen, genügt nicht«, sagte er. »Wir haben nur eine einzige Chance.«
    »Und die wäre?«, fragte Hannah.
    »Wir müssen weg aus diesem Reich. Es ist Zeit, in die Welt der Sterblichen zurückzukehren.«
    »Aber wie? Alle Brücken sind zerstört.«
    »Nicht alle«, ließ sich Brucie aus den Falten von Avis Mantel vernehmen. »Es gibt noch eine, mit der es klappen könnte.«
    »Wo?«
    Avi und Brucie antworteten im Chor. »Stonehenge!«

Kapitel 35
    S ie rasten durch die Nacht. Hinter London überflogen sie eine Landschaft, die aus sanft geschwungenen Hügeln bestand. Brucie wies Hannah an, der sogenannten großen westlichen Straße zu folgen. Für Avi sah sie eher aus wie ein Eselspfad.
    Sie passierten einige Gebäude, doch als Hannah links von ihnen eine Burg mit einem großen achteckigen Burgfried entdeckte, wusste sie plötzlich, wo sie waren.
    »Das ist Odiham Castle!«, rief sie. »Diese Strecke haben wir immer genommen, wenn wir meine Großeltern in Dorset besucht haben. In meiner Welt ist die große westliche Straße die M3!«
    Die Landschaft unter ihnen ging in dunkle Wälder über, die sich in eine mit Gras bewachsene Ebene öffneten. Vor ihnen ging der Mond am westlichen Horizont unter. Weit links von ihnen kam das Meer in Sicht.
    »Ich sehe sie immer noch«, sagte Avi, der sich umgedreht hatte. Kellens Raben erinnerten an eine gewaltige Gewitterwolke. Das merkwürdige Luftschiff seiner Mutter ähnelte einer Linse, umgeben von weißen Punkten, die im Himmel schwebte.
    »Schwäne und Raben«, meinte Hannah. »Wir sind schneller als sie alle. Tempo, du große alte Katze!«
    Sie klopfte dem Peretah auf die Schulter. Die Muskeln des Tieres arbeiteten unter dem getupften Fell. Es riss das Maul auf und brüllte.
    »Mit diesen Zähnen möchte ich nicht Bekanntschaft machen«, stellte Avi fest. »Bin ich froh, dass du es unter Kontrolle hast.«
    »Habe ich nicht«, entgegnete Hannah.
    »Hast du nicht?«
    »Wir haben uns eben auf Anhieb gut verstanden. Als es sich erst einmal an unseren Geruch gewöhnt hatte, war es zahm wie ein kleines Kätzchen. Wahrscheinlich freut es sich einfach, wieder fliegen zu können, nachdem es jahrelang eingesperrt war.«
    »Lass mich eines klarstellen: Wir fliegen hoch in der Luft auf dem Rücken eines wilden Tieres, das du nicht unter Kontrolle hast?«
    »Hör auf, dir das Hirn zu zermartern, Avi. Wir schaffen das.«
    »Glastonbury Tor«, verkündete Brucie, als sie an einem runden Hügel vorbeikamen, auf dem eine kleine steinerne Kirche stand. An den Abhängen des Hügels befand sich ein spiralförmiges Labyrinth, in dem winzige Gestalten im Licht brennender Fackeln tanzten. »Jetzt ist es nicht mehr weit.«
    Avi hatte Kopfschmerzen. Etwas beschäftigte ihn, das nichts mit der Gefahr, in der sie schwebten, und der Angst vor den Armeen, die sie verfolgten, zu tun hatte.
    Ich habe etwas vergessen. Etwas, das ich mir unbedingt merken wollte. Aber was war es?
    »Brucie, du hast doch gesagt, die Brücke in Stonehenge
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