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Die geheime Reise

Titel: Die geheime Reise
Autoren: Isabel Abedi
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räusperte sich. »Es war wie ein Puzzle, das sich zusammengefügt hat, Stück für Stück. Dass das Arschloch nicht mein Vater ist, dachte ich mir schon eine ganze Weile, auch wenn er mir die Wahrheit erst Heiligabend ins Gesicht geschrien hat. Das war das schönste Geschenk, dass er mir je gemacht hat.« Mischa lachte bitter, dann sah er Wanja an und räusperte sich wieder, als wisse er nicht, wie er weitermachen sollte. »Ja und dann das … das mit dir, weißt du … da war so ein Gefühl, das … das kam mir von Anfang an schon komisch vor. Ich meine … also …« Mischa wurde rot. »Ich finde, du bist ein klasse Typ und normalerweise hätte ich mich bestimmt in dich verknallt. Aber das war völlig ausgeschlossen, das Gefühl war ein anderes, aber es war trotzdem so … so …«
Wanja schloss die Augen. Dann öffnete sie sie wieder. »Ich weiß«, unterbrach sie Mischa. »Mir ist das mit dir genauso gegangen – zum Glück!«
Mischa nickte und fuhr dann mit wesentlich leichterer Stimme fort. »Meine Mutter muss auch was gespürt haben. Damals, nach deinem Besuch bei uns, hat sie mich so seltsam nach dir ausgefragt. Wer deine Mutter ist, ob sie braune Locken hat und ob ich deinen Vater kenne.« Mischa runzelte die Stirn und drehte sich genervt zu einer älteren Dame um. Sie stand direkt neben Mischas Stuhl und machte ein Gesicht, als würde sie gerade einen spannenden Nachrichtenbeitrag verfolgen.
»Da drüben sind übrigens noch jede Menge Sitze frei«, brummte Mischa. »Und die Klatschpresse gibt’s für zwei Euro am Kiosk, falls Sie Langweile haben.«
Die Dame schnappte empört nach Luft. Aber an ihrem knallroten Gesicht erkannte Wanja, dass Mischa ins Schwarze getroffen hatte.
»Weiter«, drängte sie Mischa, als sich die Dame abgewendet hatte. »Erzähl weiter!«
»Das mit Jolan«, fuhr Mischa mit gesenkter Stimme fort, »wurde mir klar, als du mir neulich im Park die Geschichte von deiner Mutter erzählt hast. Und als du mir sein Bild gezeigt hast, war das Puzzle komplett. Ich bin nach Hause und hab die ganze Wohnung auf den Kopf gestellt.« Mischa schüttelte den Kopf. »Das war echt wie Ostern, du glaubst nicht, wo ich das verdammte Ding endlich gefunden hab. Unter der Tischplatte vom Küchentisch, festgeklebt mit tonnenweise Tesafilm, ich meine, geht’s noch?«
Wanja musste kichern, wurde aber gleich darauf wieder ernst, als Mischa weitersprach. »Na ja, er muss ihn jedenfalls zur gleichen Zeit abgeschickt haben wie deinen, auch der Brief an mich war ganz ähnlich wie der, den er an dich geschrieben hat, und als meine Mutter nach Hause kam, hab ich ihr das Ding unter die Nase gehalten. Tja. Da hat sie mir alles erzählt.« Mischas Stimme wurde leiser. »Sie haben sich auf einem Flohmarkt kennen gelernt. Ab da war es dieselbe Geschichte. Auch meine Mutter hatte keine Ahnung, auch mit ihr hat er nicht zusammen gewohnt. Aber sie waren Tag und Nacht zusammen, meistens bei ihm. Dann irgendwann hat er gesagt, dass er jetzt öfter arbeiten müsste, um uns versorgen zu können.« Mischa senkte die Stimme. »Das muss der Zeitpunkt gewesen sein, als Jolan deine Mutter kennen lernte. Ich war damals gerade geboren, aber meine Mutter hat keinen Verdacht geschöpft. Sie muss eine ziemlich schreckliche Kindheit gehabt haben und Jolan war für sie so was wie der Prinz im Märchen, sagt sie. Die Dinge, die er deiner Mutter gesagt hat, hat er auch meiner Mutter gesagt, auch das mit der Sehnsucht, wortwörtlich. Bis an dem Tag im Park dann alles rauskam.« Mischa starrte zu Boden und kickte mit dem Fuß gegen eine leere Zigarettenschachtel. »Als deine Mutter weg war, hat meine auf ihn eingeprügelt. Sie sagt, ich hätte geschrien wie am Spieß und mich an ihm festgeklammert. Dann hat sie mich geschnappt und ist weg. Er ist nicht hinterher. Hat auch nichts von sich hören lassen und ein paar Wochen später ist er dann ja wohl aus seiner Wohnung weg. Meine Mutter stand schon damals ziemlich auf der Kippe. Danach ist sie total abgestürzt, hat mit dem Saufen angefangen, ich wäre fast im Heim gelandet. Ein Jahr später hat sie das Arschloch kennen gelernt, der damals angeblich ziemlich viel Kohle hatte.« Ein bitterer Zug erschien auf Mischas Lippen. »Anscheinend hat sich der verfluchte Sausack meine Mutter regelrecht erkauft. Aber egal, der Rest ist sowieso nicht erwähnenswert. Ich habe Jolan geschrieben, hab ihm von dir erzählt, ich wusste ja Bescheid. Er rief mich an und fragte, ob es okay wäre, wenn er uns beide
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