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Die Gefahr

Die Gefahr

Titel: Die Gefahr
Autoren: Vince Flynn
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brauchte nur eine Welle von der falschen Seite zu erwischen, und ein unerfahrener Passagier würde Hals über Kopf über Bord gehen, ohne auch nur um Hilfe rufen zu können.
    Scott hatte großen Respekt vor dem Wasser. Unfälle ereigneten sich nun einmal völlig unvorhergesehen. Wenn man mit dem Auto unterwegs war, hatte man gute Chancen, einen Unfall zu überleben, wenn man angeschnallt war und einen Airbag hatte. Wenn einem mit diesem Boot ein Unfall passierte, waren die Überlebenschancen gering, wenn man keine Schwimmweste trug. Man konnte ein noch so guter Schwimmer sein – wenn man beim Sturz über Bord das Bewusstsein verlor, ging man unter wie ein Stein.
    Aus diesem Grund trug Scott stets eine unauffällige aufblasbare Schwimmhilfe um den Hals und um die Brust. Wenn er über Bord gehen sollte, würde sich das Ding in weniger als einer Sekunde zu einer richtigen Rettungsweste aufblasen. Die Vorrichtung war außerdem mit einem kleinen Seenotsender versehen, der fast genauso wichtig war wie die Schwimmweste selbst.
    Scott vergaß nie, seine Passagiere darauf hinzuweisen, wo sich die normalen Schwimmwesten befanden, doch sie legten sie nur selten an. Der Kerl, den er heute an sein Ziel beförderte, war so ungehobelt, dass er ihn nicht einmal auf die grundlegenden Sicherheitsvorkehrungen aufmerksam machen konnte. Der schwarzhaarige Mann war bei Sonnenaufgang mit seinem Seesack aufgetaucht und hatte dem Kapitän in gebrochenem Englisch gesagt, dass er losfahren wolle. Er sagte weder guten Morgen, noch stellte er sich vor, und Scotts Angebot, seinen Seesack an Bord zu tragen, lehnte er ab.
    Der Mann hatte sich schnurstracks in seine Kabine begeben und die Tür hinter sich geschlossen. Nachdem sie jetzt eineinhalb Stunden unterwegs waren, begann sich Scott zu fragen, ob der Mann wohl die gesamte Fahrt über unter Deck bleiben wollte. Der Passagier war entweder ein unglaublicher Snob, was in der Welt der Luxusjachten nicht selten war, oder er war so verkatert, dass er nicht einmal mehr zu einigermaßen normalen Umgangsformen fähig war.
    Scott blickte auf den leuchtenden Horizont hinaus. Es war ein zu schöner Tag und er war mit einem zu feinen Boot unterwegs, um sich den Tag durch einen ungehobelten Passagier verderben zu lassen. Der Brite griff mit der rechten Hand nach den Leistungshebeln und drückte sie in einer gleichmäßigen Bewegung bis zum Anschlag durch. Die Dieselmotoren erwachten dröhnend zu vollem Leben, und der Wind peitschte durch Scotts sonnengebleichtes Haar. Grinsend stand er am Steuerruder und dachte sich, dass ihm die Reise vielleicht noch größeren Spaß machen würde, wenn sein Passagier unten blieb.
     
    Mustafa al-Yamani hatte sich auf den Boden geworfen und betete in einem tranceartigen Zustand zu seinem Schöpfer, damit ihn dieser auf seinem Weg führe und ihm Tapferkeit schenke. Es war über eine Woche her, seit er zum letzten Mal gebetet hatte. Für al-Yamani, der es gewohnt war, sich mindestens fünfmal täglich an seinen Gott zu wenden, war das der schwierigste Aspekt seiner Reise. Bei dem Dröhnen der Dieselmotoren und der verschlossenen Kabinentür war das womöglich die letzte Gelegenheit zu einem Gebet, bevor er ein Shaheed wurde, ein Märtyrer für sein Volk.
    Al-Yamani hatte sich sehr bemüht, durch das Antiterrornetzwerk der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten zu schlüpfen. Er war zuerst nach Johannesburg geflogen, und von dort weiter nach Buenos Aires. Er war einen Tag in Argentinien geblieben, hatte sich dort eine neue Identität zugelegt und sich vergewissert, dass ihm niemand folgte, und war dann nach Caracas und Havanna weitergereist. Dort hatte das Boot samt Proviant auf ihn gewartet – mit einem Kapitän, dessen einzige Anweisung es war, seinen Passagier nach Grand Bahama zu bringen. Die Benützung des Bootes war durch die Unterstützung eines reichen Gönners möglich geworden. Der Bootseigner war nicht genau darüber informiert, was die Gruppe, der er das Boot lieh, damit vorhatte, doch er war sich bestimmt im Klaren, dass es nicht um eine Vergnügungsfahrt ging.
    Die Reise ans andere Ende der Welt hatte nur fünf Tage in Anspruch genommen, doch in einem tieferen Sinn hatte sie ein Leben lang gedauert. Der vierzigjährige Saudi-Araber hatte in Wahrheit schon als neunjähriger Junge begonnen, sich auf diese Mission vorzubereiten, als er auf eine Madrasa in Mekka geschickt wurde, um den Koran zu studieren. Mit fünfzehn kämpfte er als Mudschahed, als Kämpfer
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