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Die Gefahr

Die Gefahr

Titel: Die Gefahr
Autoren: Vince Flynn
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verteidigten. Die Frau hatte einen kurzen Rock und hohe Absätze getragen – sie hatte das, was ihr passiert war, ja geradezu herausgefordert. In den Augen dieser Leute war Amerika ein rücksichtsloses und arrogantes Land, das von Leuten regiert wurde, denen es vor allem darum ging, andere Länder auszubeuten. Ihrer Ansicht nach forderte Amerika den Terrorismus geradezu heraus.
    Leute dieser Sorte würden die Facility als Folterkammer bezeichnen. Rapp wusste jedoch, was wirkliche Folter war. Hier wurden Menschen unter extremen Bedingungen festgehalten und verhört, aber wirklich gefoltert wurden sie nicht.
    Wirkliche Folter war es, wenn man einem Menschen so grauenvolle Schmerzen zufügte, dass er flehte, getötet zu werden. Wirkliche Folter bestand darin, einen Mann mit Elektroschocks an den Hoden zu quälen oder eine Frau immer wieder und wieder zu vergewaltigen, bis sie ins Koma fiel, oder im Beisein eines Mann seine Frau und seine Kinder zu vergewaltigen oder jemanden zu zwingen, seine eigenen Exkremente zu essen. Wirkliche Folter war etwas Abscheuliches, und sie war sehr oft vollkommen nutzlos. Es zeigte sich immer wieder, dass Gefangene unter einer solchen Folter alles gestanden, was man von ihnen hören wollte – bis hin zu den Plänen für irgendwelche Terroranschläge, die völlig aus der Luft gegriffen waren, und dass sie sogar so weit gingen, ihre eigenen Eltern irgendwelcher Vergehen zu bezichtigen – nur damit sie nicht länger gepeinigt wurden.
    Rapp wusste, dass der Gefangene, der auf der anderen Seite der Glasscheibe auf dem Stuhl saß, ein Experte in Sachen Folter war. Er gehörte einer Organisation an, die dafür berüchtigt war, wie sie politische Gefangene behandelte. Wenn jemand eine ordentliche Tracht Prügel verdient hatte, dann war es dieser gemeine Bastard – doch es gab gewisse Dinge, auf die man Rücksicht nehmen musste.
    Rapp war jede Art von Folter zuwider – und zwar nicht nur wegen dem, was dem Gefolterten angetan wurde, sondern auch wegen der Auswirkungen, die sie auf denjenigen hatte, der sie befahl oder ausführte. Er war nicht gerade scharf darauf, sich in diese Tiefen hinunterzubegeben, außer wenn es sich gar nicht vermeiden ließ – doch leider näherten sie sich wieder einmal diesem Punkt. Zwei CIA-Agenten waren schon tot, und daran war dieser verlogene Mistkerl schuld, und obendrein standen viele weitere Menschenleben auf dem Spiel. Es braute sich irgendetwas zusammen, und wenn Rapp nicht herausfand, was es war, dann würden möglicherweise hunderte, wenn nicht gar tausende Unschuldige sterben müssen.
    Die Tür zum Beobachtungszimmer ging auf, und ein Mann ungefähr in Rapps Alter kam herein. Er trat ans Fenster und betrachtete mit seinen tief liegenden braunen Augen den Gefangenen auf dem Stuhl. Der Mann machte einen nüchternen, fast distanzierten Eindruck. Sein Haar war elegant geschnitten und sein Bart mit großer Sorgfalt getrimmt. Er trug einen teuren dunklen Anzug, ein weißes Hemd mit doppelten Manschetten und eine rote Seidenkrawatte. Er besaß noch einen zweiten Anzug dieser Art und hatte sich dem Gefangenen seit dessen Ankunft vor drei Tagen nur in diesem Outfit gezeigt, das vor allem Ü berlegenheit und Wichtigkeit ausstrahlen sollte.
    Bobby Akram war einer der besten Verhörspezialisten der CIA. Er war ein aus Pakistan eingewanderter Moslem und sprach fließend Urdu, Paschtu, Arabisch, Farsi und natürlich Englisch. Akram hatte bis ins kleinste Detail geplant, was mit dem Gefangenen passierte – jedes Geräusch, jede Temperaturveränderung, jeden Bissen Nahrung und jeden Tropfen Flüssigkeit, die dem Mann verabreicht wurden.
    Das Ziel dieser Prozedur war, wie immer, den Gefangenen zum Reden zu bringen. Als ersten Schritt hatte man ihn isoliert und ihm jedes Gefühl für Zeit und Ort genommen. Der Mann musste in eine Welt eintauchen, in der es kaum noch Sinnesreize gab, bis er sich nach jeder noch so kleinen Abwechslung sehnte. Akram würde dem Mann schließlich eine Rettungsleine zuwerfen; er würde sich mit ihm unterhalten. Er würde den Mann zum Reden bringen – wenn auch nicht dazu, dass er irgendwelche Geheimnisse ausplauderte, zumindest nicht gleich. Die Geheimnisse würden später kommen. Wenn man diese Arbeit gründlich durchführen wollte, brauchte man viel Zeit und Geduld – doch diesen Luxus konnten sie sich diesmal nicht leisten. Bei diesem Mann galt es, die Informationen möglichst schnell zu bekommen.
    »Lange kann es nicht mehr dauern«,
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