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Die Gang: Roman (German Edition)

Die Gang: Roman (German Edition)

Titel: Die Gang: Roman (German Edition)
Autoren: Richard Laymon
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Zigarette hing zwischen den Lippen des Kerls, und er schien sich drei oder vier Tage lang nicht mehr rasiert zu haben. Jeremy sah einen fetten, bärtigen Rocker in ausgebeulten Jeans. Er hatte kein Hemd an, nur eine ausgebleichte Levi’s-Jacke mit abgeschnittenen Ärmeln, und auf seiner Brust war ein Totenkopf tätowiert, dem eine Schlange aus einer Augenhöhle kroch. Neben ihm war die passende Frau, dünn und mit einem verbissenen Ausdruck im Gesicht. Sie trug Jeans und eine Lederweste mit Fransen. Die Weste war nur lose zusammengeknotet, und sie hatte keinen BH oder sonst etwas darunter. Jeremy konnte durch die lose Verschnürung einen Blick auf die Seiten ihrer Brüste erhaschen, aber dann sah er schnell weg. Er wollte nicht, dass jemand bemerkte, wie er sie anstarrte. Und was es da zu sehen gab, war ohnehin nicht so überwältigend.
    Das war bestimmt nicht die Art von Leuten, wie man sie in Disneyland traf.
    Es gab auch ein paar ordentliche Durchschnittsbürger, aber er sah viele fette, stur vor sich hin glotzende Typen mit gammeligen alten Jeans und schmuddeligen Hemden. Harte Burschen, die höhnisch dreinschauten, tätowiert, viele mit Messern am Gürtel.
    Herumstolzierende Mädchen mit engen Tops und weiten Röcken. Ausgelassene, lachende Kerle mit Bürstenschnitt, die sich gegenseitig schubsten und johlten, wenn sie ein hübsches Mädchen sahen. Und Penner. Hier gab es mehr Penner als in jedem Elendsviertel.
    Jeremy spürte, wie sich ein Teil seiner Erregung in Unbehagen verwandelte.
    Das hier war wirklich kein Disneyland.
    Es konnte etwas passieren.
    Bald schon wünschte er sich, er wäre nicht allein hergekommen. Gestern Abend, als Mom dabei war, hatte alles anders ausgesehen.
    Mist, dachte er. Ich bin kein Hosenscheißer, der sich ohne seine Mammi nirgendwohin traut. Ich bin sechzehn. Und es wird überhaupt nichts passieren.
    Es gab zwar eine Menge Leute hier, die schäbig oder hart oder Furcht einflößend aussahen, aber auch andere, die einen durchaus normalen Eindruck erweckten: nett angezogene Paare, Familien mit ihren Kindern, Horden von Teenagern, die in Paaren oder Gruppen umherzogen.
    Eine Menge toller Frauen.
    Sie schienen alle jede Menge Spaß zu haben und die zwielichtigen Gestalten gar nicht zu bemerken. Aber sie sind auch nicht allein hier, dachte Jeremy.
    »He, Süßer.« Die grelle Stimme durchdrang alle anderen Geräusche. »Du, mit den blauen Shorts!«
    Ich trage blaue Shorts.
    Sie kann nicht mich meinen.
    Jeremy wandte den Kopf.
    »Ja, du!«, rief das Mädchen. Sie stand an einer Spielbude und winkte ihn heran. Hinter ihr befand sich ein Podium mit Pyramiden aus Blechbüchsen. An den beiden Seitenwänden der Bude stapelten sich Stofftiere bis zur Decke. »Komm doch mal her«, sagte sie. »Los, Kleiner, sei nicht schüchtern!« Sie warf einen Ball von einer Hand in die andere. Einen Fuß hatte sie auf die niedrige Theke der Bude gestellt. Ihre Beine sahen glatt und geschmeidig aus. Über ihrem Schoß hing eine Geldschürze wie ein Handtuch und verdeckte, welche Art von Shorts sie trug. Ihre Brüste schwangen in ihrem weiten Top hin und her, als sie den Ball warf und fing. »Ein Wurf einen Dollar. Wenn du die Büchsen triffst, gewinnst du einen Preis. Und du kannst nicht gewinnen, wenn du’s nicht versuchst!«
    Jeremy errötete und schüttelte den Kopf. »Nein danke«, murmelte er und ging schnell weiter.
    Ich hätte es probieren sollen, dachte er. Mist. Jetzt hält sie mich für eine Flasche.
    Und ich hätte sie mir auch besser ansehen können. Ihr Gesicht war ja nichts Besonderes, aber der Rest …
    »Heda, Kumpel.«
    Jeremy blieb abrupt stehen, als ein Penner ihm in den Weg trat und ihn mit braunen Zähnen angrinste.
    »Heda, du. Gib mir ’n paar Pennys, hä? Bist ’n guter Junge, hä? Weißte, was ich meine?« Er streckte seine schmutzige Hand aus. »Von ’n paar Pennys wirste nich arm, hä? Na los, mach ma.«
    Jeremy wurde plötzlich eiskalt. »Ich hab kein Kleingeld«, sagte er. Seine Stimme hörte sich dünn an. »Tut mir leid.«
    »Dann gib mir doch ’n Dollar, Kid.« Die ausgestreckte Hand des Penners bewegte sich ungeduldig. »Bist ’n guter Junge, hä? Hatte nix zu essen seit …«
    » HAU AB, DU WIDERLICHES STÜCK SCHEISSE! «
    Jeremy zuckte zusammen und wich stolpernd aus, als jemand an ihm vorbeisprang und dem Penner mit einem Cowboyhut ins Gesicht schlug.
    » RAUS HIER! LOS! HAU AB! «
    Der Penner duckte sich, bedeckte den Kopf mit den Händen und rannte davon.
    Der
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