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Die Gang: Roman (German Edition)

Die Gang: Roman (German Edition)

Titel: Die Gang: Roman (German Edition)
Autoren: Richard Laymon
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Rundgang fort.
    Er fühlte sich mies. Betrogen und wie ein Betrüger. Seit er zusammen mit Joan auf Streife ging – erst seit zwei Wochen –, hatte er die beiden verglichen und war immer unzufriedener geworden. Es war falsch. Man fing nichts mit seinem Partner an, vor allem dann nicht, wenn sie schon jemanden hatte. Und du lässt dein eigenes Mädchen nicht fallen, nur weil eine vorbeikommt, die dir besser gefällt.
    Sicher, es gab Schwierigkeiten mit Gloria. Aber das war bei einer solchen Nähe unvermeidlich. Wenn man sich näherkommt, findet man eben Fehler beim anderen. Die Kirschen in Nachbars Garten … bis du sie dann probierst. Joan ist auch nicht vollkommen. Er war lange genug mit ihr auf Streife, um zu wissen, dass sie stur und aufbrausend sein konnte, und manchmal war sie nicht sehr tolerant. Gott helfe demjenigen, der versucht, ihr dumm zu kommen! Aber sie hatte viel Sinn für Humor, und Gloria …
    Hör auf damit, sagte er sich.
    »Officer?«
    Ein Blick, und Dave wusste, dass die vier Männer, die Joan angrinsten, Seeleute waren. Sie trugen keine Uniformen, aber ihre Bürstenschnitte und ihr jungenhaftes Lächeln verrieten sie. Sie sahen aus, als schwänzten sie die Schule und hätten viel Spaß dabei.
    »Was kann ich für die Herren tun?«, fragte Joan.
    »Könnten wir Sie fotografieren? Nur ein Bild, ja? Mit jedem von uns. Sie würden uns wirklich einen großen Gefallen tun. Was halten Sie davon? Okay? Nichts Verrücktes, nur einfach ein paar Fotos. Wir wissen, dass Sie im Dienst sind, aber in ein paar Tagen laufen wir wieder aus, zum Persischen Golf, und …«
    »Warum nicht?«, sagte sie.
    Dave konnte es kaum glauben.
    Ohne verärgert oder schüchtern zu wirken, ließ sie den Anführer der Gruppe neben sich stehen. Er lehnte sich an sie und schnitt dem Typen mit der Kamera Grimassen. Und kurz bevor der Auslöser klickte, legte Joan den Arm um ihn. Der Junge lief dunkelrot an. Als das Foto gemacht war, wich er vor Joan zurück, errötete wieder und schüttelte den Kopf; dann wirbelte er herum und ließ sich flach auf die Promenade fallen. »Ich bin tot und im Himmel, Kumpels«, verkündete er.
    Der nächste Seemann war ein dicklicher Junge mit Pickeln. Joan rieb über seinen Bürstenschnitt, und er verdrehte die Augen nach oben. Sie zog ihn an sich, und der dürre Junge mit der Kamera machte das Bild.
    Der dritte Seemann war ein riesenhafter grinsender Schwarzer. Er stand wie in Habachtstellung neben Joan, als hätte er einen Stock verschluckt, das Kinn auf die Brust gepresst. Sie lehnte sich an ihn, griff an seinen Rücken und zwickte ihn in die Seite. Er wand sich kichernd wie ein Mädchen, als das Foto gemacht wurde. Dann versuchte der erste Seemann, dem schlaksigen Jungen mit Brille, der die Aufnahmen gemacht hatte, die Kamera abzunehmen. »Jetzt bist du dran, Henry. Los.«
    »Lasst mal.« Er schüttelte den Kopf. »Wir haben die Dame lange genug belästigt.« Er grinste schüchtern.
    »Feigling! Feigling!«
    »Komm, Junge, zeig, dass du ein Mann bist.«
    »Henry hat Angst vor Frauen!«
    »Lasst ihn in Frieden, Jungs«, sagte Joan. Sie sah Henry an. »Du hast doch keine Angst vor mir? Komm her!«
    Alle Farbe wich aus seinem Gesicht. Aber er ging zu ihr. Seine Freunde johlten und pfiffen.
    Er stand neben Joan. Er reichte ihr gerade so eben bis zur Schulter. Sie bückte sich ein wenig und deutete mit dem Finger auf ihre Wange. Der Junge sah erschrocken und gleichzeitig erfreut aus. Er wandte sich ihr zu, um sie auf die Wange zu küssen. Sie drehte den Kopf und küsste ihn auf den Mund, und die Kamera klickte.
    Seine Freunde waren still geworden.
    Als Joan aufhörte, ihn zu küssen, legte Henry seine Arme um sie, und sie hielten sich fest. Dave konnte sein Gesicht sehen. Seine Brille war an Joans Wange eingeklemmt. Seine Augen waren geschlossen, die Lippen fest zusammengepresst. Er nickte, und Dave merkte, dass Joan ihm offenbar etwas ins Ohr flüsterte. Plötzlich erhellte ein Lächeln sein Gesicht.
    Er löste sich von Joan und ging zu seinen Freunden zurück.
    »Was für ein Glück dieser Mistkerl hat«, murmelte einer von ihnen.
    Der schwarze Riese schlug ihm auf die Schulter.
    »Gute Reise, Jungs«, sagte Joan und winkte ihnen zu. Sie drängten sich wieder in die Menschenmenge, winkten, schubsten sich gegenseitig, riefen ihren Dank. Henry hob still seine Hand und sah traurig drein, als nähme er Abschied von seinem besten Freund.
    Joan schaute zu Boden und öffnete eine Tasche an ihrem Gürtel.
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