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Die galante Entführung

Die galante Entführung

Titel: Die galante Entführung
Autoren: Georgette Heyer
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einen gemütlichen Plausch.« Spitzbübisch fügte sie hinzu: »Du bist das Schuldbewußtsein in Person – als hättest du Angst vor Schelte! Aber wie dürfte ich wagen, meine älteste Schwester auszuschelten? So unverschämt bin ich nicht.«
    Während Selina nach dem Tee läutete, verließ Abby den Salon und stieg die Treppe zu ihrem Schlafzimmer empor, wo sie Mrs. Grimston beim Auspacken antraf. Auf dem Antlitz dieser furchterregenden Dame hatte sich ein mißbilligender Ausdruck eingenistet, und sie begrüßte Miss Wendover mit der Mitteilung, daß sie ja immer schon gewußt hätte, wie es ausgehen würde, wenn Miss Fanny allein mit Miss Selina bleiben und Betty Conner sich um sie kümmern würde, die mehr Haare als Verstand hatte und noch dazu fahrig sei. »Schon wieder überall herumzigeunern!« sagte sie düster. »Konzerte, Bälle und Theater und Picknicks und ich weiß nicht, was noch alles!«
    Abby hatte selbst Grund zu dem Verdacht, daß sich ihre Nichte viel mehr Freiheit genommen hatte, als ihr früher bewilligt worden war; da sie jedoch nicht die Absicht hatte, die Sache mit Mrs. Grimston zu erörtern, antwortete sie bloß: »Nun ja, wie solltest du es auch wissen«, was ihr altes Kindermädchen wirkungsvoll in beleidigtes Schweigen versinken ließ.
    Die Damen Wendover hatten ihre verwaiste Nichte faktisch seit deren zweitem Lebensjahr in ihrer Obhut. Damals starb Fannys Mama, die man eines totgeborenen Sohns entbunden hatte, und Fannys Papa vertraute das Töchterchen der Fürsorge ihrer Großmama an. Als er selbst drei Jahre später starb, wurde diese Vorkehrung davon in keiner Weise berührt; und als Fannys Großpapa in deren zwölftem Lebensjahr einem Jagdunfall zum Opfer fiel und seine Witwe sich nach Bath zurückgezogen hatte, statt an ihrem Witwensitz ein Klima zu ertragen, das ihrer zarten Konstitution nie gut getan hatte, war sein überlebender Sohn James, Fannys Vormund, nur zu froh gewesen, das kleine Mädchen in ihrer Obhut zu lassen. Er war selbst Vater einer hoffnungsvollen Familie, aber seine Frau, eine Dame starken Charakters, hegte nicht den Wunsch, seine Nichte in ihre Obhut zu nehmen. Als Mrs. Wendover drei Jahre später starb, berechtigte Fanny zu den Hoffnungen, ein ungewöhnlich schönes Mädchen zu werden. Mrs. James Wendover hegte weniger denn je den Wunsch, sie in ihren Haushalt aufzunehmen, wo sie nicht nur ihre Kusinen überstrahlen würde, sondern diese sogar lehren konnte, ebenso leichtherzig zu werden, wie sie selbst es war. Daher teilte James, Testamentsvollstrecker und Verwalter des Vermögens, dessen Besitzerin Fanny war, seinen Schwestern gnädig mit, sie dürften - vorderhand – auch weiterhin als die Hüterinnen des lieben Kindes handeln. Es wäre zu schade (wie seine Cornelia ihm auseinandergesetzt hatte), ihren Bildungsgang in einem der exklusiven Institute von Bath zu unterbrechen. Dem Brauch seiner Familie folgend, war James entschlossen, für Fanny eine vorteilhafte Partie zustande zu bringen; er meinte jedoch, es sei noch Zeit genug, bis Cornelia die Pflicht hatte, Fanny in die Gesellschaft einzuführen. Freilich sah er nicht voraus, daß Cornelia, sobald Fanny dazu reif war, mehr denn je entschlossen sein würde, sie bei ihren Tanten zu lassen. Cornelia gestand, daß sie Fanny einfach nicht gern haben konnte, da sie an ihr eine traurige Ähnlichkeit mit deren armer Mama entdeckte. Man durfte nur hoffen, daß sie nicht zu einem dieser modernen wirren Frauenzimmer heranwachsen würde; jedoch sie, Cornelia, war der Ansicht, Fannys Lebhaftigkeit verführe sie nur dazu, viel zu entgegenkommend zu sein. Aber was konnte man schließlich schon von einem Mädchen erwarten, das von zwei in sie vernarrten alten Jungfern erzogen wurde?
    Die jüngere dieser vernarrten alten Jungfern ging wieder in den Salon hinunter, wo ihre Schwester bereits am Teetisch saß. Nach einem einzigen Blick auf ihr Reisekleid mit den weiten Ärmeln und dem kleinen Eckenkragen aus gestärktem Musselin begrüßte sie Miss Wendover sofort beifällig mit dem Ausruf: »Du warst noch nie so hübsch! London, natürlich?«
    »Ja, Mary war so nett, mich zu ihrer Thérèse zu bringen, was ich außerordentlich gutmütig von ihr fand.«
    »Thérèse! Dann war es bestimmt entsetzlich teuer, denn Cornelia hat mir einmal gesagt – so boshaft von ihr! –, es sei nur zu hoffen, daß Mary mit ihrem Luxus George nicht ruiniere. Sie könne es sich nicht leisten, bei Thérèse arbeiten zu lassen.«
    »Sie könnte,
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