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Die Gabe des Commissario Ricciardi

Die Gabe des Commissario Ricciardi

Titel: Die Gabe des Commissario Ricciardi
Autoren: Maurizio de Giovanni
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Zeitspanne so schon eng genug gefasst!
    – Ist ja gut, jetzt werden Sie doch nicht wütend. Hauptsache, wir sind sicher, dass die Herrschaften tot sind, nicht wahr? Davon können wir doch wohl ausgehen?
    Modo ergab sich zum Scherz, indem er beide Hände hob:
    – Ich gebe mich geschlagen. Ich gestehe alles: Ich hab' sie umgebracht. Solange nur Schluss ist mit dieser Komödie. Nach der Autopsie kann ich euch hoffentlich mehr sagen. Die Leichenbestatter sind da, sie sollen mir die beiden bedauernswerten Kreaturen ins Krankenhaus bringen, und der Fotograf ist fertig, hat er gesagt. Kommt ihr mit mir nach unten?
    Am Eingangstor wartete Ferro, um den ein paar Leute herumstanden.
    – Commissario, das sind die übrigen Hausbewohner. Ich habe sie gebeten, hierzubleiben, weil ich nicht wusste, ob sie in ihre Wohnungen dürfen. Dürfen sie?
    – Ja, Sie können hochgehen. Bitte beantworten Sie meinem Kollegen, Brigadiere Maione, zuvor nur kurz einige Fragen, es wird nicht lange dauern.
    Er wandte sich an Maione, dem er zuflüsterte:
    – Versuche, vor allem über den Ehemann, Hauptmann Garofalo, etwas herauszufinden: seine Gewohnheiten, Laster, die Leute, mit denen er verkehrte. Nachbarn wissen ja manchmal sogar mehr als Verwandte.
    Maione nickte.
    – Mach' ich, Commissario, seien Sie unbesorgt. Ich kümmere
mich darum. Cesarano hab' ich zur Schule des Mädchens geschickt, damit er dort jemandem Bescheid gibt. Ich dachte, man kann das arme Ding nicht heimkommen lassen, um ein Blutbad vorzufinden. War doch richtig?
    – Ja, natürlich. Besser, die Kleine bleibt heute Nacht im Kloster. Morgen früh gehen wir hin und sprechen mit der Tante. Wenn es möglich ist, auch mit dem Kind.
    Während Maione mit der Vernehmung der Nachbarn begann, begleitete Ricciardi den Doktor zur Tür.
    – Weißt du, Bruno, mir ist Weihnachten auch nicht besonders wichtig. Aber so einen Mord gerade jetzt zu sehen schlägt mir irgendwie stärker aufs Gemüt als sonst.
    – Das kann ich nachvollziehen. In diesen Tagen kann man sich leichter einreden, die Menschen seien besser, als sie es tatsächlich sind.
    Als sie auf die Straße heraustraten, sah Ricciardi einen Schatten entlang der Mauer näher kommen und ein paar Meter von ihnen entfernt stehenbleiben.
    – Das ist doch …
    Der Doktor schien verlegen.
    – Richtig, es ist der Hund des Jungen, den du mir im November zur Obduktion gebracht hast, du weißt schon, der Kleine, den sie vergiftet hatten. Der Köter schlich die ganze Zeit ums Krankenhaus herum, in sicherer Entfernung. Die Straßenjungen haben ihn mit Steinen beworfen, das hat ihn für eine Weile verscheucht, er ist aber immer wieder aufgetaucht; wer weiß, vielleicht hat er gehofft, sein junger Freund würde zurückkommen. Zu guter Letzt habe ich ihm ein Stück Brot gegeben. Er hat's gegessen, als er mich weggehen sah. Am Tag darauf ist er bis zu mir gekommen und hat sich streicheln las
sen. Also hab' ich … na ja, wir sind ja quasi beide allein, nicht? Ich hab' gedacht, vielleicht könnten wir uns etwas Gesellschaft leisten. Er ist mir bis nach Hause gefolgt, wollte aber nicht reinkommen. Seitdem legt er sich in das Gärtchen im Hof und bleibt dort bis zum Morgen. Er trottet mir hinterher. Also mich stört 's nicht. Es ist doch nichts dabei, oder?
    Ricciardi verzog das Gesicht.
    – Nein, Bruno. Was sollte dabei sein?
    Er betrachtete den Hund, der den Blick des Kommissars mit seinen warmen haselnussbraunen Augen erwiderte: weißbraun geschecktes Fell, spitzes Maul, ein Ohr war aufgestellt und eines angelegt.
    – Ich erinnere mich an ihn. Er lag neben dem Jungen, als wir ihn gefunden haben. Es freut mich, dass er einen neuen Freund gefunden hat. Du musst doch zugeben, einen Freund zu haben ist besser, vor allem an Weihnachten.
    Modo lachte.
    – So ein Unsinn. Komm, Hund, lass uns gehen, hier ist's zugig. Ciao, Ricciardi. Komm übermorgen ins Krankenhaus, dann hab' ich die Ergebnisse der Obduktionen.
    Damit entfernte er sich im Lichtschein der schaukelnden Laternen und der Hund folgte ihm mit ein wenig Abstand.

VI
    Aus Mergellina ist ein Junge gekommen, um es allen hier zu sagen. Barfuß ist er gerannt, immer am Meer entlang, gegen Wind und Wetter, die blanken, harten Fußsohlen auf den spitzen Steinen im Sand, in großen Sprüngen über die Felsen.
    In aller Eile kam er, um die Nachricht zu verbreiten.
    Ich schnitzte gerade Figuren aus Holz, die ich mit Glanzpapier
bekleben wollte – auch meine Kinder sollen eine Krippe haben. Alle
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