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Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag
Autoren: Patrick Rothfuss
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sich an.
    Doch der Deckel der Truhe rührte sich nicht. Kvothe seufzte und beugte sich vor, bis seine Stirn an dem kühlen, dunklen Holz ruhte. Er atmete tief aus und ließ die Schultern hängen und sah nun klein und angeschlagen aus, entsetzlich müde und älter, als er war.
    Seinem Gesicht war jedoch weder Erstaunen noch Kummer anzusehen. Er wirkte nur vollkommen resigniert. Es war der Gesichtsausdruck eines Mannes, der nun schließlich eine schlechte Nachricht erhalten hat, von der ihm schon eine ganze Weile schwante.

Kapitel 152

Holunderbeere
     
    E s war keine Nacht, die man im Freien verbringen wollte.
    Die Wolken waren spät gekommen und hatten sich wie eine graue Decke über den Himmel gelegt. Der Wind war kalt und böig, und immer wieder prasselten heftige Regenschauer hernieder, die dann in Nieselregen übergingen.
    Dennoch schienen es sich die beiden Soldaten, die in einem Dickicht in der Nähe der Straße kampierten, gut gehen zu lassen. Sie hatten ein Lager von Holzfällern entdeckt und ein großes Lagerfeuer entfacht, dem die Regenschauer kaum mehr anhaben konnten, als dass sie es zum Zischen und Fauchen brachten.
    Die beiden sprachen laut miteinander und brachen immer wieder in das wiehernde Gelächter von Männern aus, die zu betrunken sind, um sich um das Wetter zu kümmern.
    Schließlich trat ein dritter Mann aus dem dunklen Wald und stieg mit grazilen Bewegungen über einen umgestürzten Baumstamm hinweg. Er war nass, wenn nicht gar durchnässt, und das dunkle Haar klebte ihm am Kopf. Als die Soldaten ihn erblickten, reckten sie ihre Flaschen empor und begrüßten ihn begeistert.
    »Wir waren uns nicht sicher, ob du noch kommst«, sagte der blonde Soldat. »Es ist ja wirklich ein Sauwetter. Da ist es nur fair, dass du dein Drittel abkriegst.«
    »Du bist ja ganz nass«, sagte der Bärtige und hob eine schlanke gelbe Flasche. »Hier, trink das. Es ist irgend so ein Obstzeug, aber es knallt ordentlich rein.«
    »Deins da ist doch Mädchenpisse«, erwiderte der blonde Soldat und hielt seine eigene Flasche empor. »Hier. Das ist was für Männer.«
    Der dritte Mann sah zwischen den beiden hin und her, als könnte er sich nicht entscheiden. Schließlich hob er einen Finger, zeigte auf die eine und dann auf die andere Flasche und stimmte einen Singsang an.
     
Maid und Maibaum.
Zwist zu zwein.
Esche. Asche.
Holderwein.
     
    Zuletzt zeigte sein Finger auf die gelbe Flasche, und er nahm sie beim Hals und hob sie sich an die Lippen. Er trank einen tiefen Schluck daraus.
    »He!«, sagte der bärtige Soldat. »Lass uns noch was übrig!«
    Bast senkte die Flasche und leckte sich die Lippen. Dann lachte er trocken. »Du hast die richtige Flasche«, sagte er. »Das ist Holunderbeere.«
    »Du bist ja längst nicht mehr so gesprächig wie heute morgen«, sagte der blonde Soldat und neigte den Kopf zur Seite. »Du guckst, als wäre dir gerade dein treues Hundchen verreckt. Ist alles in Ordnung?«
    »Nein«, sagte Bast. »Nichts ist in Ordnung.«
    »Es ist nicht unsere Schuld, wenn er dahinter gekommen ist«, beeilte sich der Blonde zu sagen. »Wir haben ein bisschen gewartet, nachdem du gegangen warst, genau wie du gesagt hast. Aber da hatten wir schon stundenlang da rumgehockt. Wir dachten schon, du haust nie mehr ab.«
    »Verdammt noch mal«, sagte der Bärtige gereizt. »Weiß er was? Hat er dich etwa rausgeschmissen?«
    Bast schüttelte den Kopf und gab die Flasche zurück.
    »Dann hast du doch keinen Grund zum Jammern.« Der blonde Soldat rieb sich die Schläfe und zog ein finsteres Gesicht. »Mir hat der blöde Scheißkerl mehrere Beulen verpasst.«
    »Das hat er zurückgekriegt. Und zwar gleich mehrfach.« Der bärtige Soldat grinste und fuhr sich mit einem Daumen über die Fingerknöchel. »Der pisst morgen Blut.«
    »Dann ist doch alles gut ausgegangen«, sagte der blonde Soldat und geriet ein wenig ins Schlingern, weil er seine Flasche allzu dramatisch geschwenkt hatte. »Du hast dir schön die Knöchel aufgeschürft. Ich hab was Schönes zum Trinken abgekriegt. Und wir alle haben ordentlich Kasse dabei gemacht. Alle sind glücklich und zufrieden. Alle haben gekriegt, was sie wollten.«
    »Ich habe nicht gekriegt, was ich wollte«, erwiderte Bast.
    »Noch nicht«, sagte der bärtige Soldat und zog einen Geldbeutel hervor, der gewichtig klirrte, als er ihn in der Hand wog. »Komm, gönn dir auch ein bisschen was von unserem Feuer, und dann teilen wir die Beute.«
    Bast sah sich im Lichtkreis des
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