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Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag
Autoren: Patrick Rothfuss
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leise.
    Bast zuckte nur die Achseln, den Blick teilnahmslos auf den Kamin gerichtet.
    Der Chronist kam einen Schritt näher. »Ich muss Euch etwas fragen …«
    »Ihr müsst nicht flüstern«, sagte Bast, ohne hochzusehen. »Wir sind hier am andere Ende des Hauses. Ich habe manchmal Besuch. Das hat ihn früher hin und wieder nicht schlafen lassen, und deshalb bin ich auf diese Seite des Hauses gezogen. Zwischen seinem und meinem Zimmer befinden sich sechs dicke Wände.«
    Der Chronist ließ sich Bast gegenüber auf der Kante des anderen Sofas nieder. »Ich muss Euch ein paar Fragen stellen, über einige Dinge, die Ihr heute Abend gesagt habt. Über den Cthaeh.«
    »Wir sollten nicht über den Cthaeh sprechen«, erwiderte Bast in bleiernem Tonfall. »Das wäre ungesund.«
    »Dann über die Sithe«, sagte der Chronist. »Ihr habt gesagt, wenn sie von dieser Geschichte wüssten, würden sie alle daran Beteiligten töten. Ist das wahr?«
    Bast nickte, den Blick immer noch auf den Kamin gerichtet. »Sie würden dieses Haus niederbrennen und anschließend den Erdboden, auf dem es steht, versalzen.«
    Der Chronist senkte den Blick und schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nicht, warum Ihr Euch so vor dem Cthaeh fürchtet«, sagte er.
    »Nun«, erwiderte Bast, »es deutet ja auch sonst vieles darauf hin, dass Ihr nicht allzu klug seid.«
    Der Chronist runzelte die Stirn und wartete geduldig.
    Bast seufzte und löste schließlich den Blick vom Kamin. »Denkt doch mal nach. Der Cthaeh weiß alles, was man jemals tun wird. Alles, was man jemals sagen wird …«
    »Das macht ihn fraglos zu einem irritierenden Gesprächspartner«, sagte der Chronist. »Aber …«
    Da wurde Bast mit einem Mal wütend.
»Dyen vehat. Enfeun vehat tyloren tes!«,
spie er. Er bebte und ballte die Fäuste.
    Der Chronist erbleichte angesichts der Gehässigkeit in Basts Ton, wich aber nicht zurück. »Ihr seid nicht wütend auf mich«, sagte er ganz ruhig und sah Bast in die Augen. »Ihr seid nur wütend, und ich bin gerade zur Stelle.«
    Bast funkelte ihn an, sagte aber nichts.
    Der Chronist beugte sich vor. »Ich will doch nur helfen. Das wisst Ihr, nicht wahr?«
    Bast nickte mürrisch.
    »Aber dazu muss ich verstehen, was hier vor sich geht.«
    Bast zuckte die Achseln. Sein kurzer Wutanfall war verraucht und die vorherige Teilnahmslosigkeit zurückgekehrt.
    »Kvothe scheint Euch das mit dem Cthaeh zu glauben«, sagte der Chronist.
    »Er kennt das innere Getriebe der Welt«, sagte Bast. »Und was er noch nicht versteht, eignet er sich im Handumdrehen an.« Er nestelte am Saum der Decke herum. »Und er vertraut mir.«
    »Aber kommt Euch das nicht an den Haaren herbeigezogen vor? Der Cthaeh gibt einem Jungen eine Blume, eins führt zum anderen, und mit einem Mal herrscht Krieg.« Der Chronist machte eine wegwerfende Geste. »So geht es doch nicht zu in der Welt. Das ist doch alles reiner Zufall.«
    »Es ist kein Zufall«, sagte Bast und seufzte. »Ein Blinder muss sich durch einen vollgestellten Raum hindurchkämpfen. Ihr nicht. Ihr benutzt Eure Augen und wählt den leichtesten Weg. Für Euch ist das eine Kleinigkeit. Der Cthaeh kann in die Zukunft sehen. Er sieht die gesamte Zukunft. Wir hingegen tasten uns mühsam voran. Er nicht. Er schaut einfach nur hin und wählt den verheerendsten Pfad. Ein kleiner Stein kann eine Lawine auslösen, ein einziges Husten eine Seuche.«
    »Wenn man aber weiß, dass der Cthaeh einen lenken will«, sagte der Chronist, »verhält man sich halt einfach anders. Er gibt einem die Blume, und man verkauft sie einfach an irgendwen.«
    Bast schüttelte den Kopf. »Der Cthaeh würde davon erfahren. Man kann bei einem Wesen, das in die Zukunft sehen kann, nie vorhersagen, was es tun wird. Sagen wir mal, man verkauft die Blume an einen Prinzen. Der nutzt die Blume dazu, seine Verlobte zu heilen. Ein Jahr später erwischt sie ihn in flagranti mit ihrer Kammerzofe und hängt sich entehrt auf, und ihr Vater bläst zum Angriff, um Vergeltung zu üben.« Bast breitete in einer Geste der Hilflosigkeit die Hände. »Auch in diesem Fall habt Ihr einen Bürgerkrieg.«
    »Aber der junge Mann, der die Blume verkauft hat, wäre in Sicherheit.«
    »Wahrscheinlich nicht«, erwiderte Bast grimmig. »Wahrscheinlich geht er von dem Geld erst mal auf eine ordentliche Zechtour, holt sich die Syph, stößt eine Lampe um und brennt damit versehentlich die halbe Stadt nieder.«
    »Ihr denkt Euch das doch bloß aus, um Euer Argument zu untermauern«,
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