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Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag
Autoren: Patrick Rothfuss
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früh aufwacht und Lust habt, einen kleinen Spaziergang zu unternehmen oder so. Ich schlafe seit einiger Zeit nicht mehr allzu viel.« Er legte sich eine Hand an die Wange, wo ein Bluterguss seinen Unterkiefer zu färben begann. »Aber heute Nacht mache ich vielleicht mal eine Ausnahme.«
    Der Chronist nickte und schwang sich seine Ledermappe über die Schulter. Dann hob er mit spitzen Fingern seine Stechpalmenkrone auf und ging die Treppe hinauf.
    Allein im Schankraum, kehrte Kvothe methodisch den Boden und ließ dabei keine Ecke aus. Er spülte das Geschirr, wischte die Tische und den Tresen ab und löschte die Lampen, bis auf eine einzige, so dass der Raum nun nur mehr schummrig beleuchtet und von huschenden Schatten erfüllt war.
    Einen Moment lang betrachtete er noch all die Flaschen hinterm Tresen, dann machte er kehrt und stieg ebenfalls langsam die Treppe hinauf.

     
    Bast betrat sein Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
    Er bewegte sich leise durch die Dunkelheit und blieb vor dem Kamin stehen. Vom Feuer dieses Morgens waren nur noch Asche und ein paar glühende Kohlenbrocken übrig. Bast klappte die Brennholzkiste auf, doch außer Sägemehl und Holzsplittern war nichts darin.
    Das schwache Licht vom Fenster her glitzerte auf seinen dunklen Augen und ließ die Umrisse seines Gesichts erkennen, während er dort bewegungslos stand, als überlegte er, was er jetzt tun sollte. Dann klappte er den Deckel der Kiste wieder zu, hüllte sich in eine Decke und hockte sich auf ein kleines Sofa, das vor dem fast erloschenen Kamin stand.
    Dort saß er eine ganze Weile und blickte in die Dunkelheit.
    Draußen vor seinem Fenster raschelte es leise, dann war es wieder still. Dann erklang ein leises Scharren. Bast sah hinüber und bemerkte draußen in der Nacht eine dunkle Gestalt, die sich bewegte.
    Bast glitt lautlos vom Sofa und stellte sich vor den Kamin. Den Blick weiterhin auf das Fenster gerichtet, suchten seine Hände vorsichtig den Kaminsims ab.
    Erneut wurde am Fenster gescharrt, diesmal lauter. Basts Blick schoss vom Fenster zum Sims, und mit beiden Händen hob er etwas auf. Etwas Metallisches schimmerte schwach im schummrigen Mondschein, und er kauerte sich hin, sein ganzer Körper angespannt wie eine Sprungfeder.
    Einen ganzen Moment lang geschah weiter nichts. Kein Laut, keine Regung, weder draußen vor dem Fenster noch in dem dunklen Zimmer.
    Tap-tap-tap-tap-tap
. Es war ganz leise, aber in dem stillen Raum deutlich zu hören. Nach kurzer Pause erklang das Geräusch erneut, ein nachdrückliches Pochen an der Fensterscheibe:
Tap-tap-tap-tap-tap-tap-tap.
    Bast seufzte. Er erhob sich aus der Hocke, ging hinüber, legte den Riegel um und öffnete das Fenster.
    »Mein Fenster hat kein Schloss«, beklagte sich der Chronist. Wieso hat Euers eins?«
    »Aus naheliegenden Gründen«, erwiderte Bast.
    »Darf ich reinkommen?«
    Bast antwortete mit einem Achselzucken und ging zum Kamin zurück, und der Chronist stieg unterdessen unbeholfen zum Fenster herein. Bast riss ein Streichholz an und setzte damit eine auf einem Tisch stehende Lampe in Betrieb. Dann legte er vorsichtig zwei lange Messer auf den Kaminsims zurück. Eins war schlank und scharf wie ein Grashalm, das andere spitz und elegant wie ein Dorn.
    Der Chronist sah sich um, während das Licht der Lampe allmählich den Raum erfüllte. Das Zimmer war groß, die Wände holzgetäfelt, der Boden mit dicken Teppichen bedeckt. Vor dem Kamin standen einander zwei kleine Sofas gegenüber, und eine Zimmerecke wurde von einem großen Himmelbett mit dunkelgrünen Vorhängen beherrscht.
    Es gab auch ein Regal voller kleiner Bilder, Schmuckgegenstände und Krimskrams. Haarlocken mit Schleifen dran. Selbstgeschnitzte Holzpfeifen. Getrocknete Blumen. Ringe aus Horn, Leder und geflochtenem Gras. Eine selbstgezogene Kerze mit eingegossenem Laub.
    Offensichtlich erst kürzlich hinzugekommen waren die Stechpalmenzweige, die hier und da den Raum schmückten. Eine lange Girlande daraus zog sich am Kopfende des Betts entlang, und eine weitere schlängelte sich um den Kaminsims und wand sich dabei auch um die Griffe zweier Beile mit blattförmiger Schneide, die dort hingen.
    Bast setzte sich vor den erkalteten Kamin und legte sich eine Flickendecke wie einen Schal um die Schultern. Es war eine wilde Mischung aus nicht zueinander passenden Stoffen. Die Farben waren verblasst, bis auf ein knallrotes Herz, das mittendrauf genäht war.
    »Wir müssen reden«, sagte der Chronist
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