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Die Frucht des Bösen

Die Frucht des Bösen

Titel: Die Frucht des Bösen
Autoren: Lisa Gardner
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sehen …»
    «Entschuldigen Sie bitte. Lassen Sie mich durch, ich bin von der Polizei.» Sie tauchte unter dem gelben Plastikband weg, das den Tatort sicherte, und erreichte endlich das Epizentrum des Geschehens.
    Das Haus, vor dem sie stand, war grau gestrichen und hatte ein Vordach auf wuchtigen Säulen, über dem eine große Amerikafahne hing. Beide Flügel der Eingangstür standen sperrangelweit auf, um den regen Verkehr von Ermittlern und Fachkräften der Gerichtsmedizin rein- und rauszulassen.
    Hinter den kleinen Fenstern zu beiden Seiten des Eingangs hingen zarte Spitzengardinen. Die Veranda unter dem Vordach schmückten vier Töpfe mit roten Geranien und ein halbes Dutzend blauer Klappstühle. Auf einer Schiefertafel an der Hauswand, bemalt mit roten Geranien, stand in gelben Buchstaben
Willkommen
zu lesen.
    Ja, hier war definitiv Schlimmeres passiert als ein Streit unter bewaffneten Drogendealern.
    D. D. seufzte, setzte ihre Profimiene auf und trat auf den uniformierten Kollegen zu, der vor den Verandastufen postiert war. Sie spulte Namen, Dienstgrad und Kennnummer ab, worauf der Kollege ihre Angaben pflichtschuldig notierte und dann mit einer Kinnbewegung auf die Tonne zu seinen Füßen deutete.
    Gehorsam fischte D. D. Überzieher für die Schuhe und eine Haarhaube daraus heraus. Aha, es handelte sich also um diese Art von Tatort.
    Langsam ging sie nach oben auf die Veranda, wobei sie sich an den Rand der Stufen hielt, die offenbar jüngst gestrichen worden waren – in einem hellen Cape-Cod-Grau wie der Rest des Hauses. Die Veranda machte einen heimeligen Eindruck und schien noch vor kurzem ausgefegt worden zu sein. Vielleicht gleich nach dem Ausladen der Einkäufe?
    Allzu große Sauberkeit war aus ermittlungstechnischem Blickwinkel betrachtet eher unvorteilhaft. Schmutz und Staub hätten möglicherweise Spuren erkennen lassen, die zur Ergreifung desjenigen führen mochten, der getan hatte, was D. D. nun im Haus erfahren sollte.
    Als sie auf der Schwelle noch einmal tief Luft holte, nahm sie den Geruch von Sägemehl und trocknendem Blut wahr. Sie hörte einen Reporter, der lauthals nach Auskunft verlangte, das Klacken einer Kamera, einen Hubschrauber im Anflug und die übliche Geräuschkulisse. Schaulustige im Rücken, Kollegen vorneweg und die Journaille obenauf.
    Chaos: laut, stinkig, überwältigend.
    Ihr Job bestand darin, Ordnung in dieses Chaos zu bringen.
    Sie machte sich an die Arbeit.

[zur Inhaltsübersicht]
    2 . Kapitel
    Victoria
     
    «Ich habe Durst», sagt er.
    «Was hättest du denn gern?», frage ich.
    «Bring mir einen Drink, Frau, sonst gibt’s was auf die die Fresse.»
    Wütend klingt er eigentlich nicht. Aber seine Stimmung kann jeden Moment umschlagen. Gerade schaut er noch fern, dann nimmt er das Wohnzimmer auseinander. Oder er steht kurz davor, und wenn ich das Richtige sage, beruhigt er sich wieder. Sage oder tue ich aber das Falsche, tja, dann …
    Ich stehe von der Couch auf. Es ist Donnerstagabend. Eine dieser unerträglich heißen und schwülen Augustnächte steht uns bevor, die man besser am Strand oder in einem großen Swimmingpool verbringt. Aber natürlich sind das für uns keine Optionen. Wir sitzen schon seit dem frühen Nachmittag im Wohnzimmer, ziehen uns irgendwas im History Channel rein und lassen die Klimaanlage auf Hochtouren laufen. Ich hatte gehofft, ein ruhiger Abend würde ihm guttun. Jetzt kommen mir Zweifel.
    In der Küche mache ich mir Gedanken. Ihm wie verlangt einen Drink zu besorgen birgt jede Menge Sprengstoff. Erstens muss ich erraten, was er trinken möchte. Zweitens kommt es darauf an, das richtige Gefäß auszuwählen: Glas/Becher/Tasse. Und ob er Eis oder kein Eis, einen Strohhalm oder keinen Strohhalm, Cocktailserviette oder Bierdeckel haben will, muss ich auch noch erraten.
    Früher habe ich mir seine aggressive Art so nicht gefallen lassen und darauf bestanden, dass er seine Wünsche freundlicher formuliert.
Ich bin nicht dein Dienstmädchen
, hätte ich ihm gesagt.
Ein bisschen mehr Respekt, wenn ich bitten darf.
    Aber das war einmal. Die Zeiten ändern sich, nicht auf einen Schlag, aber Stück für Stück, von Mal zu Mal. Es gibt Dinge, die sich, wenn man sie einmal aufgibt, nicht mehr zurückholen lassen.
    Ich entscheide mich für den blauen Becher, den er vor ein paar Tagen zu seinem Lieblingsbecher erkoren hat, und fülle ihn mit Leitungswasser. Wenn er mir den Inhalt ins Gesicht schüttet, hält sich wenigstens die Schweinerei in
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