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Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Titel: Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)
Autoren: Harald Muellner
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junger Mann an der Reihe, jünger
noch als Danielle, mit gegeltem Haar, gezupften Augenbrauen und einer Gesichtshaut,
im Vergleich zu der sich ein Babypopo wie grobkörniges Sandpapier ausnahm. Ein
dunkler Anzug mit Bügelfalte und eine mit Windsorknoten gebundene Krawatte
unterstrich die Wichtigkeit dieses Redners. Vermutlich hatte ihn Danielle schon
vorgestellt und angekündigt.
    »Als interplanetarer Botschafter der Erde …«
    Gott sei’s gedankt, durchfuhr es Robert, der zwar nicht an
Gott glaubte, aber nun zumindest wusste, mit wem er es zu tun hatte. Erst vor
zwei Jahren wurde die Stelle des interplanetaren Botschafters speziell in Hinblick
auf die Fünfundzwanzig-Jahr-Feier der Marskolonie geschaffen. Es war klar, dass
man diesen Posten einem jungen Wichtigtuer zuschanzte, der auf dieser Position
so gut wie keinen Schaden anrichten konnte. Robert wunderte sich, warum sich
der Botschafter nicht auch noch den Titel ›intergalaktisch‹ zu Eigen machte;
aber er wollte ihn auf gar keinen Fall auf dumme Gedanken bringen.
    »… ist es mir heute eine ganz besondere Freude und Ehre hier
vor Ihnen zu stehen. – Sie«, rief er schon mehr als er sprach, »diese kleine
erlesene Gemeinde hier, werden heute Zeugen von Einzigartigem werden.«
    Robert war angewidert, dass Politiker, wenn es um die eigene
Person oder deren Taten ging, nahezu ausnahmslos maß- und schamlos übertrieben
und einen Superlativ nach dem anderen strapazierten, als wäre nie zuvor ein
besserer, intelligenterer oder amikalerer Mensch über diesen Boden gewandelt.
Jeder, der eine Rede hielt – und war es auch nur zur Eröffnung jenes riesigen
Areals mitten auf dem Pazifik, das damit offiziell als Mülldeponie eingeweiht
wurde – stufte seine Tat schon als einzig- und großartig ein.
    »Lachen Sie nicht. Geben Sie mir nur ein paar Minuten, dann werden
wir gemeinsam lachen, feiern und mit Champagner anstoßen. Wir wollen heute
anlässlich des Jahrestages der ersten Marslandung vor fünfundzwanzig Jahren jener
Frau gedenken, die als erste Abgesandte des Planeten Erde ihren Fuß in das
staubige Rot des Mars gesetzt hat.«
    »Bravo! Bravo!«, tönte es vielstimmig aus dem Saal. Also
rhetorisch kann ich über den geschniegelten Schimpansen wirklich nicht meckern,
ging es Robert durch den Kopf. Vielleicht hatte dieser Darwin doch recht gehabt
und der Schimpanse stammte tatsächlich vom Menschen ab. Er betrachtete den
Typen vor sich. Schwer zu glauben, dass es umgekehrt gewesen sein sollte.
    »Doch wenn wir das tun«, fuhr er fort, »werden Sie eine
Geschichte hören, die Ihnen«, er räusperte sich, »in dieser Form nicht bekannt
ist. Zu diesem Zweck freue ich mich, zwei Crewmitglieder der ursprünglichen
Mars One Besatzung zu begrüßen. Andy Schott, er war vor fünfundzwanzig Jahren
Techniker an Bord des Schiffes, war in den letzen zwölf Jahren Leiter dieser
Station und sprach heute bereits die einleitenden Worte.«
    Der Grauhaarige mit der hohen Stirn trat nach vorne und
verbeugte sich. Dass er vermutlich nicht nur ein kompetenter, sondern noch dazu
ein sehr beliebter Bürgermeister der Station war, folgerte Robert aus dem
anhaltenden, nicht enden wollenden Beifall.
    »Und begrüßen Sie mit mir Nancy Sullivan, die Geologin von
damals.«
    Eine groß gewachsene, grauhaarige Frau betrat das Podium. In
ihrer Jugend musste sie eine wahre Schönheit gewesen sein. Der Applaus war
kürzer, aber nicht weniger herzlich. Nancy verbeugte sich und lächelte in die
Menge, die sich irgendwo unterhalb der gleißenden Scheinwerfer verbarg. »Was
wird denn das jetzt«, raunte sie zu Andy, als sie neben ihm stand.
    »Ich weiß auch nicht. Ich bin genau so überrascht wie du. Im
offiziellen Protokoll stand nichts von all dem.«
    Robert erinnerte sich, die ältere Frau, die er zwischen
sechzig und fünfundsechzig schätzte, schon in der Lounge einige Male gesehen zu
haben, als sie sich mit der Kellnerin unterhielt.
    »Und dieser Mann hier«, der Botschafter wies mit seiner
rechten Hand auf den Alten, der ebenfalls unter den Ehrengästen saß, »war zwar
damals nicht unter den Crewmitgliedern, doch hatte er schon lange vor dem Flug
eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe.« Der Haarpomadige grinste. »Bitte ein
ganz, ganz herzliches Willkommen für«, er pausierte für den Bruchteil einer
Sekunde, »John McDonnel, den Vater der Kommandantin von Mars One.«
    Bereits zum wiederholten Male an diesem Tag musste Robert
feststellen, dass ihm der Mund offen, die Luft weg, und
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