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Die Frau mit dem roten Herzen

Die Frau mit dem roten Herzen

Titel: Die Frau mit dem roten Herzen
Autoren: Qiu Xiaolong
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nicht kooperieren, werden die Amerikaner denken, wir hätten ein Interesse an der Fortführung des illegalen Menschenschmuggels.«
    »Das ist genau das, was ich heute morgen bei einer Telekonferenz mit dem Ministerium gesagt habe.«
    »Da die Einigung nun mal erzielt wurde, muß Wens Ausreise erfolgen.« Chen griff erneut nach dem Foto. »Aber warum müssen die U.S. Marshals dafür eine Beamtin bis nach Shanghai schicken?«
    »Unsere lokale Polizei hat ziemlich lange gebraucht, um die nötigen Dokumente und Genehmigungen einzuholen. Feng seinerseits beteuert, er werde nur aussagen, wenn seine Frau vor dem Verhandlungstermin eintrifft. Die Amerikaner werden langsam nervös. Inspektor Rohns Reise dient angeblich dazu, Wen bei ihrem Visumantrag zu helfen, in Wirklichkeit aber will man uns unter Druck setzen.«
    »Wann soll die Verhandlung beginnen?«
    »Am vierundzwanzigsten April. Und heute haben wir den achten.«
    »Dann müssen wir uns beeilen. In Ausnahmefällen können Visum und Paß doch sicher innerhalb von vierundzwanzig Stunden ausgestellt werden. Warum ist das eine Aufgabe für mich?«
    »Weil Fengs Frau verschwunden ist. Das Ministerium in Peking hat erst gestern abend davon erfahren, und Inspektor Rohn ist bereits unterwegs.«
    »Aber wie konnte das passieren?«
    »Wir haben keine Ahnung. Wie auch immer, ihr Verschwinden bringt uns in eine höchst peinliche Lage. Die Amerikaner werden vermuten, daß wir die Abmachungen unterlaufen wollen.«
    Oberinspektor Chen runzelte die Stirn. Für einen Normalbürger konnte die Ausstellung eines Passes Monate dauern, doch da die Zentralregierung grünes Licht gegeben hatte, hätte die lokale Polizeidienststelle sofort aktiv werden können. Und warum war Wen jetzt, nach dieser unerklärlichen Verzögerung, auch noch verschwunden? Womöglich war das Ganze ein abgekartetes Spiel. Wenn es um nationale Interessen ging, war alles möglich. Trotzdem war ein solches Szenario unwahrscheinlich. Peking hätte sich ja von Anfang an weigern können, mit den amerikanischen Behörden zu kooperieren. Ein Rückzieher zum jetzigen Zeitpunkt würde nur Gesichtsverlust bedeuten.
    Doch statt Li seine Gedanken mitzuteilen, fragte Chen: »Und was sollen wir jetzt unternehmen, Parteisekretär Li?«
    »Wir müssen Wen finden. Die lokale Polizei hat bereits mit der Suche begonnen, und Sie werden die Operation leiten.«
    »Soll ich Inspektor Rohn nach Fujian begleiten?«
    »Nein, die Ermittlungen werden von den Dienststellen in Shanghai und Fujian gemeinsam durchgeführt. Vorerst werden Sie Inspektor Rohn in Shanghai betreuen.«
    »Wie kann ich Ermittlungen in Fujian leiten, wenn ich eine Amerikanerin in Shanghai betreuen soll?«
    »Sie ist unser Ehrengast. Dies ist die erste chinesisch-amerikanische Zusammenarbeit in Sachen illegaler Einwanderung«, erläuterte Li. »Was kann sie in Fujian schon ausrichten? Außerdem könnte es dort gefährlich werden. Ihre Sicherheit hat oberste Priorität. Sie werden dafür sorgen, daß ihr Aufenthalt in Shanghai sicher und zu ihrer Zufriedenheit abläuft. Sorgen Sie für gute Unterhaltung, und halten Sie sie auf dem laufenden.«
    »Zählt das zu den Aufgaben eines Oberinspektors der chinesischen Polizei?« Chen blickte auf die Fotos, die die Wände von Lis Büro zierten – die steile, ereignisreiche Karriere eines Politikers, der die Hände anderer Politiker schüttelt, Reden auf Parteikongressen hält, für das Polizeipräsidium repräsentiert, einen Termin nach dem anderen wahrnimmt. Li war der führende Parteikader des Präsidiums, dennoch zeigte ihn keines der Bilder bei der Ermittlungsarbeit.
    »Aber selbstverständlich. So etwas gehört sogar zu den besonders wichtigen Aufgaben. Die chinesische Regierung ist entschlossen, den Menschenschmuggel zu unterbinden. Amerika darf daran nicht den geringsten Zweifel haben. Wir müssen Inspektor Rohn überzeugen, daß wir unser Bestes tun. Sie wird viele Fragen stellen, und wir werden sie informieren, soweit das möglich ist. Eine solche Aufgabe kann nur einem erfahrenen Beamten wie Ihnen anvertraut werden. Ich brauche wohl nicht extra zu betonen, daß es dabei eine Grenze zwischen innen und außen zu beachten gilt.«
    »Und wo verläuft diese Grenze?« unterbrach ihn Chen, der seine Zigarette in einem Kristallaschenbecher in Schwanenform ausdrückte.
    »Inspektor Rohn könnte zum Beispiel Zweifel hinsichtlich der Paßbewilligung hegen. Natürlich ist das Vorgehen unserer Behörden manchmal etwas bürokratisch,
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