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Die Frau im Tal

Die Frau im Tal

Titel: Die Frau im Tal
Autoren: Ketil Bjørnstad
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verstecken.
    Sie vergräbt ihren Kopf in meiner Achselhöhle.
    »Was ist los?« frage ich und spüre wieder die Kälte der Winternacht.
    »Nichts ist so, wie du denkst, Aksel.«
    »Wie meinst du das?«»Ich kann es selber noch nicht glauben.« »Was denn?« Sie richtet sich auf. »Ich bekomme ein Kind von Gunnar Høegh«, sagt sie.

Epilog
Abschied im Kiefernwäldchen
    Ich habe meine Koffer gepackt. Rektor Sørensen wird mich zum Flugplatz bringen. Zur Abendmaschine nach Oslo. Eirik ist vom Krankenhaus zu seinen Eltern gebracht worden, ein Stück weiter oben im Tal.
    Ich gehe zum letztenmal hinauf zum Blockhaus.
    Da tritt sie heraus.

    So wenig ist von ihr übrig, denke ich. Sie ist blaß und verweint von den durchwachten Nächten, von den Gesprächen mit Eirik, von all dem, was sie hinter sich lassen wird.
    Sie drückt mich kurz an sich. Ich fühle mich lächerlich.
    »Wie du mich hassen mußt«, sagt sie.
    Ich schüttele den Kopf.
    »Ich habe mich in dein Leben gedrängt. Ich versuchte, die Tür aufzubrechen. Ich hatte kein Recht dazu.«
    »Ich mochte es«, sagt sie. »Daran darfst du nicht zweifeln. Ich habe jede Sekunde unseres Zusammenseins gewollt. Außerdem hast du mir mehr geholfen, als du ahnst.«
    »Wie das?«
    »Meine Unsicherheit. Verstehst du nicht? Alles, was geschehen ist, sehe ich jetzt klarer.«
    Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich verspüre dieselbe Müdigkeit wie damals im Krankenhaus, als sie mich zu Anja ließen. Oder als sie Marianne abschnitten und den Knoten lösten.
    Und im selben Moment sehe ich sie ganz deutlich:Mutters winkende Hand, Sekunden bevor sie im Wasserfall ertrank.

    Ich gehe neben ihr und weiß, daß es das letzte Mal ist. Sie nimmt meine Hand.
    »Woher weißt du so sicher, daß Gunnar der Vater ist?« frage ich plötzlich.
    »Eirik und ich haben seit zwei Jahren nicht mehr miteinander geschlafen«, sagt sie mit der gleichen Direktheit, die Marianne hatte.
    »Na ja«, sage ich, rot im Gesicht.
    »Warum wirst du rot?«
    Ich zögere.
    »Sag es«, sagt sie.
    »Ich habe euch von draußen im Blockhaus beobachtet.«
    »Das hast du?«
    »Ja. Ich habe dich nackt gesehen. Ich habe gesehen, wie du die Vorhänge zuzogst.«
    Sie nickt. »Ich war nackt. Er konnte dasselbe mit mir machen wie du. Er war mein Mann.«

    Wir gehen weiter, hinunter zum Fluß. Ich sehe den Wachturm auf der anderen Seite. Das Eis beginnt zu schmelzen.
    »Es passierte in der Nacht, in der du mit Eirik nach Skogfoss zurückgefahren bist«, sagt sie. »Ich möchte, daß du das weißt.«
    »Was soll ich wissen?«
    »Daß es nicht geplant war. Nicht so.«
    »Und wenn ich es gewesen wäre?«
    Sie antwortet nicht.

    Es sind die letzten gemeinsamen Minuten, bevor wir uns für immer trennen, für immer aus dem Leben des anderenverschwinden. Und wir wissen es, alle beide, daß wir nie Freunde bleiben werden, die sich treffen, um miteinander Brahms zu spielen.
    »Ich hoffe, dir wird das Herz brechen«, sage ich.
    »Ich verlange nicht, daß du mich verstehst«, sagt sie. »Aber ein Kind zu bekommen, das ist mein sehnlichster Wunsch gewesen. Ein Kind, das mir wieder einen Sinn geben kann.«
    »Gunnar Høegh ist todkrank und wird sterben«, sage ich.
    »Das werden wir alle«, sagt sie. »Daran mag ich jetzt nicht denken.«
    »Und Eirik?«
    »Er wird sich zurechtfinden. Die, um die man sich am meisten Sorgen macht, finden sich immer zurecht.«

    Wir gehen wieder hinauf zum Internat. Rektor Sørensen erwartet uns.
    »So weit gereist und nichts erreicht«, sagt sie, bevor wir in seiner Hörweite sind.
    »Du hast von Anfang an gewußt, daß aus uns beiden nichts werden würde?« sage ich.
    »Ich weiß nicht, was ich wußte«, sagt sie. »Du warst ein Geschenk, das ich nicht hätte annehmen dürfen.«
    »Aber du hast es angenommen?«
    »Ich hatte nicht die Kraft, es auszuschlagen.«

    Rektor Sørensen schaut auf die Uhr.
    »Es ist Zeit«, sagt er.
    Sigrun küßt mich schnell auf den Mund.

    Dann dreht sie sich um und läuft hinauf zum Blockhaus. Wie ein junges Mädchen, denke ich. Wie damals, als allesanfing. Wie an dem Herbstabend, als ›Clair de Lune‹ in meinem Kopf sang, als Anja an mir vorbei zur Straßenbahn lief, um zum Klavierwettbewerb zu kommen, an dem wir beide teilnahmen.
Wieder im Elvefaret
    Die Bäume sind schneebedeckt. Zum erstenmal weiß ich, daß ich im Skoog-Haus allein bin. Da ist weder eine Anja noch eine Marianne. Da sind keine Träume und keine Halluzinationen. Schon als das Taxi in den Melumveien
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