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Die Frau im Fahrstuhl

Die Frau im Fahrstuhl

Titel: Die Frau im Fahrstuhl
Autoren: Helene Tursten
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sie sehr bekannt, was uns nicht klar gewesen war. Schließlich hatten wir das Gemälde spottbillig bekommen. Auf dem Foto blinzelte sie den Fotografen unter ihrer roten Baskenmütze schelmisch an. Genauso erinnerte ich mich an sie von dem einen Abend, an dem wir sie getroffen hatten.
    Über dem Sofa im Wohnzimmer hängt das Porträt von Anna-Bell. Alle, die das Zimmer betreten, halten inne, wenn sie das Gemälde entdecken, und sagen ein paar Worte dazu.
    »Ein wirklich schönes Bild!«
    »Wer ist das?«
    »Wer hat das gemalt?« Ich sage dann immer, dass Gunhild Berg von der Insel Gotland es gemalt hat, genauer gesagt aus Ljugarn.
    Es sind jedoch nur sehr wenige, denen ich die ganze Geschichte von Anna-Bell erzähle.

Brennender Hass
    In den siebziger Jahren war es schick, mit dem Auto in Schottland Urlaub zu machen. Dem allgemeinen Trend folgend beschlossen wir, unsere Hochzeitsreise in die nördlichen Teile Großbritanniens, statt an einen sonnigen Strand am Mittelmeer zu machen.
    Vier Tage nach der Hochzeit am zweiten August (ein Datum, das sich mein Mann bislang nie hat merken können) gingen wir in Hull an Land. Wir begaben uns auf direktem Weg zur Mietwagenfirma, um unseren Wagen abzuholen, den wir über unser Reisebüro in Göteborg vorbestellt hatten. Ich erinnere mich nicht an die Marke, aber es handelte sich um ein kleines, schwarzes englisches Auto. Nachdem es uns endlich gelungen war, unser Gepäck darin zu verstauen, wedelte Peter mit der Landkarte und sagte begeistert: »Liebling! Wir halten uns an die Nebenstraßen. Jetzt lernen wir das richtige Schottland kennen!«
    Ich wäre gern auf direktem Weg nach Edinburgh gefahren. Ich bin mehr für Städte. Mir war jedoch klar, dass Peter Recht hatte. Aus unserem Reiseführer wussten wir, dass die Sehenswürdigkeiten nicht direkt an den großen Straßen lagen. Man musste Umwege machen, um die Castles und andere Touristenattraktionen zu erleben.
    Es wurde eine schöne Reise, und wir besichtigten eine Menge schöner Orte und wunderbarer Bauwerke. Auch mit dem Wetter hatten wir Glück. Nur hie und da gab es mal einen Schauer.
    In der letzten Woche verbrachten wir zwei Tage in Edinburgh. Wir mieteten ein bezauberndes Zimmer bei einer älteren Dame, die am Stadtrand in einem kleinen Häuschen wohnte.
    Am Nachmittag fuhren wir mit dem Auto ins Zentrum, um uns ein großartiges Tattoo, eine Parade mit Musik, auf dem Castle anzusehen. Die Soldaten marschierten in ihren karierten Kilts und spielten Dudelsack. Große schwarze Pferde mit goldbeschlagenem Zaumzeug trugen die donnernden Pauken, die die Musik besonders eindrücklich machten.
    Abends saß Peter über eine Landkarte gebeugt, die er auf seinen Knien ausgebreitet hatte.
    »Schau mal, Liebes! Wir fahren genau nach Süden, nach Peni… Penicuik, oder wie man das auch immer aussprechen mag, und setzen unsere Reise von dort aus nach Rosslyn Castle und Rosslyn Church fort. Das Castle ist zwar nur eine Ruine, aber die Kirche ist berühmt. Es gibt eine Menge Skulpturen aus dem 15. Jahrhundert, und zehn Generationen des Adelsgeschlechts St. Clair liegen in Ritterrüstung in der Kirche begraben!«
    Peter strahlte vor Begeisterung. Habe ich bereits erwähnt, dass er Geschichtslehrer ist? Als wir uns kennen lernten, hatte er gerade seine erste Stelle am Gymnasium unserer Stadt angetreten. Aber das ist eine andere Geschichte…
    Ich unterdrückte einen Seufzer. Einfach der Küstenstraße nach North Berwick zu folgen, hätte mir sehr viel mehr zugesagt, als mich auf holprigen Nebenstraßen durchschütteln zu lassen. Aber Peter war schon wieder in die Karte vertieft, und ich sah ein, dass ich um die Nebenstraßen nicht herumkommen würde.
     
    Als wir Rosslyn Church verließen, hatte es begonnen zu stürmen. Dunkle Wolken trieben rasch von den Pentland Hills heran. Als wir uns in den Wagen setzten, klatschten bereits die ersten Regentropfen auf die Windschutzscheibe.
    »Nur ein Schauer, Liebes! Wir folgen der geplanten Route«, meinte Peter fröhlich.
    Wir fuhren Richtung Osten, Gifford, einem Ort auf der Karte, entgegen. Laut Peter ging es von dort dann in nördlicher Richtung geradewegs nach North Berwick.
    Aber irgendwo auf dem Weg verfuhren wir uns. Das war nicht weiter verwunderlich, denn die Sicht war fast gleich null. Es goss in Strömen, und die kleinen Wege verwandelten sich rasch in eine morastige Brühe.
    Als wir ein Pub entdeckten, waren wir deshalb überglücklich. Das Haus war klein und das Schild so alt, dass
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