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Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)

Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)

Titel: Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)
Autoren: Sue Townsend
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Vergleich zur Unendlichkeit. Sie zum Beispiel, Dr. Bridges, bestehen aus einer Masse von Teilchen. In der einen Sekunde könnten sie in Leicester sein und eine Achtelsekunde später am anderen Ende des Universums.«
    Die beiden Ärzte wechselten einen verschwörerischen Blick.
    Dr. Lumbogo flüsterte Dr. Bridges zu: »Vielleicht ein Therapieaufenthalt?«
    Schwester Spears sagte: »Wir brauchen einen zugelassenen Psychiater. Ich schlage eine Zwangseinweisung vor.«
    *
    Später, nachdem die Ärzte gegangen waren, zog Ruby Hut und Mantel an und ging zu Stanley Crossleys Haus.
    Als er die Tür öffnete, sagte sie: »Sie bringen Eva weg.« Das Wort »Psychiatrie« brachte sie nicht über die Lippen. Irgendetwas an dem Wort ließ sie frösteln.
    Er dirigierte sie durch die Bücher im Flur ins aufgeräumte Wohnzimmer, wo die Bücher an die Wand gestapelt waren.
    Stanley sagte: »Sie ist nicht verrückt. Ich kenne Verrückte. Ich war selbst verrückt.« Er lachte leise. Dann fragte er: »Weiß Alexander davon?«
    Ruby sagte: »Der lässt sich nicht mehr blicken. Brian ist nie zu Hause, seit diese Tit-Tante weg ist. Yvonne ist an einem besseren Ort, und von den Zwillingen haben wir seit Monaten nichts gehört. Ich bin auf mich selbst angewiesen.«
    Stanley nahm Ruby in den Arm und fühlte sie hineinsinken. Sie war herrlich weich und knautschig, dachte er.
    Er fragte: »Stört dich mein Gesicht, Ruby?«
    Ruby sagte: »Wenn ich dich ansehe, kann ich das Gesicht sehen, das du einmal hattest. Und außerdem, wenn man erstmal so alt ist wie wir, ist jedes Gesicht am Arsch.«
    Seit es keine Audienzen mehr bei Eva gab, hatte sich ihre Anhängerschaft zerstreut, bis auf Sandy Lake und William Wainwright.
    Die beiden führten lange Gespräche. Aus Rücksicht auf die Nachbarn sprachen sie leise. Beide waren sich einig, dass Prinz Philip Prinzessin Diana umgebracht hatte, dass die erste Mondlandung auf einem Studiogelände in Hollywood aufgenommen worden war und dass George Bush befohlen hatte, die Zwillingstürme zu zerstören.
    Sandy kochte auf ihrem Primus-Kocher Kakao für sie beide. Während sie an der heißen Flüssigkeit nippten, erzählte William Sandy von den Sklaven, die die Kakaobohnen verarbeiteten.
    Sandy sagte: »Ich kann ohne meinen Kakao nicht schlafen!«
    William sagte: »Die nächste Dose klauen wir, okay?«
    Er legte seinen Arm um ihre breiten Schultern. Sie drückte ihre Wange an seine kratzigen Bartstoppeln. Hinter ihnen kreischte eine Eule. Sandy zuckte zusammen, und William zog sie fester an sich.
    Er sagte: »Ist nur ’ne Eule.«
    »Eine Eule«, verbesserte sie ihn.
    »Ja«, sagte er, »’ne Eule.« Sie saßen beisammen und redeten, bis der Mond sie in milchiges, warmes Licht tauchte.

69
    In den frühen Morgenstunden des 19. September erwachte Eva im Stockfinstern. Sofort brach ihr der kalte Schweiß aus. Sie hatte Angst im Dunkeln. Das Haus war still, abgesehen von den kleinen Lauten, die jedes Haus von sich gibt, wenn seine Bewohner nicht da sind.
    Sie versuchte, die aufsteigende Panik zu unterdrücken, indem sie mit sich selbst redete und sich fragte, warum sie im Dunkeln Angst hatte. Sie sagte laut: »An meiner Zimmertür hing ein Armeemantel auf einem Bügel. Der sah aus wie ein Mann. Ich lag die ganze Nacht wach und habe den Mantel angestarrt. Ich dachte, ich hätte gesehen, dass er sich bewegt – unmerklich vielleicht, aber er hatte sich definitiv bewegt. Genauso habe ich mich gegruselt, wenn ich an Leslie Wilkinsons Haus vorbeiging. Wenn er mich kommen sah, verstellte er mir den Weg und verlangte Geld oder Süßigkeiten, bevor er mich weitergehen ließ. Ich blickte hilfesuchend zu seinem Haus und sah und hörte Mrs. Wilkinson singend an der Küchenspüle abwaschen. Manchmal blickte sie auf und winkte, während ich draußen schikaniert wurde.«
    Eva erzählte sich selbst die Geschichte, wie sie im Schnee in einen tiefen Graben gefallen war, aus dem sie nicht wieder herauskam. Wie ihre Freundin nach Hause gegangen war und sie fast die ganze Nacht vergeblich versucht hatte herauszuklettern. Erst unter drei Wolldecken und zwei Steppdecken hörte sie auf zu zittern.
    Von dem Tag, als ein Mann, ein Fremder, sie »fette Kuh« genannt hatte, nachdem sie ihm im Weihnachtsgedrängel vor Woolworth auf den Fuß getreten war. Seine Stimme begleitete sie seither in jede Umkleidekabine.
    Einmal hatte sie eine halb verweste menschliche Hand im Schilf gefunden. In der Schule hatte man ihr nicht geglaubt und sie fürs
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