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Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Titel: Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich
Autoren: Claudia Seidert
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Jahrhundertwende, streng und düster. In das Bild montierte der Fotograf dann in eine obere Ecke als Andenken Firmins Porträt in Felduniform. Vielleicht entstand das Foto zu dem Zeitpunkt, als Maria keinerlei Nachricht von ihrem Mann hatte und irgendetwas tun musste, mit ihm, für ihn.
    Die Ausschreitungen gegenüber der Zivilbevölkerung führten zur Massenflucht Zehntausender vor den deutschen Truppen in die benachbarten Niederlande und nach Frankreich. Nach dem Fall von Antwerpen zählte man zeitweise eine Million Belgier in den Niederlanden, unter den Flüchtlingen waren Zivilisten genauso wie Spione, berufsmäßige Schmuggler, Kriegsgefangene, deutsche Deserteure und viele junge belgische Männer, die über Holland an die Front nach Westflandern gelangen wollten.
    Mit allen Mitteln versuchte die deutsche Generalgouvernementsverwaltung in Brüssel das illegale Überschreiten der Grenze in die Niederlande zu verhindern. Landsturm bewachte scharf die Gegend, doch das reichte nicht aus. 1914 hatten die Deutschen mit einem Experiment Erfolg gehabt. An einem Abschnitt der Schweizer Grenze installierten sie einen elektrischen Zaun, um junge Elsässer, denen es am deutschen Patriotismus mangelte, an der Flucht insNachbarland zu hindern. Als die Massenflucht aus Belgien nicht endete, beschloss die deutsche Verwaltung, mit der gleichen Methode an der Grenze zu den Niederlanden vorzugehen. Baubeginn war im April 1915. Bereits am 29. August wurde die Strecke zwischen Aachen und Maas unter Strom gesetzt, wenige Wochen später die gesamte Anlage bis zur Küste in Seeland. Die Grenzsperre bestand aus drei Zäunen, der mittlere war der Elektrozaun. Rechts und links davon blieb Raum für Patrouillengänge. Elektrische Energie war damals noch nicht weit verbreitet und ihre Gefahren nicht bekannt. Der Todesdraht, dessen Spannung zwischen 500 und 2000 Volt variieren konnte, kostete viele Menschen das Leben. Ihre Zahl lässt sich heute nicht mehr ermitteln, geht aber wohl in die Tausende – lebendig aufgegriffene Grenzgänger nicht mitgerechnet, sie wurden später andernorts hingerichtet.
    Ein Gruß gegen die Sorge aus Audruicq, Firmin 3.v.re.
    Lange vor der Mauer, die die DDR von der Bundesrepublik abriegelte, haben andere Deutsche bereits den ersten Todesstreifen in Europa errichtet.
    Aus den besetzten Gebieten transportierten die Deutschen alles ab, was sie und ihr Land brauchen konnten: Industrieanlagen, Transportmittel, landwirtschaftliche Erzeugnisse und die Rohstoffe: Metall und Eisen, Brennstoffe wie Holz und Kohlen. Es war eine vollständige Ausplünderung und Zerstörung des Landes. Auch Arbeitskräfte wurden gebraucht, also wurden sie »rekrutiert«. Nachdem es den deutschen Behörden nicht gelang, nennenswert freiwillige Arbeitskräfte aus Belgien nach Deutschland zu vermitteln, ging man ab Oktober 1916 zur Zwangseinberufung über. Etwa 120   000 Zivilisten wurden in den folgenden Monaten zur Zwangsarbeit in Deutschland oder in Zivilarbeiterbataillone deportiert, rund 2600 fanden den Tod.

    In Flandern versuchte die Besatzungsmacht mit einer eigenen »Flamenpolitik« die Bevölkerung für ihre Ziele zu gewinnen. Die Idee der großen Sprachgemeinschaft von Dünkirchen bis Königsberg geisterte wieder durch manches dumpfe Gemüt. 1916 wurde die Reichsuniversität Gent niederlandisiert. Ein Teil der Flämischen Bewegung ging auf dieses Angebot ein und kollaborierte mit denDeutschen, die Mehrheit hatte jedoch nicht viel für sie übrig, zu frisch war die Erinnerung an die Massaker bei deren Einmarsch und zu offensichtlich der taktische Charakter der Maßnahmen. Dennoch hielt sich die Mär von der Kollaborationsbereitschaft der Flamen mit den Deutschen. Aufgewärmt wurde sie erneut im Zweiten Weltkrieg und hielt sich lange noch in der Nachkriegszeit.
    Marias Tage sind mehr als ausgefüllt. Das Leben in Antwerpen ist beschwerlich, das Besatzungsregime ist erbarmungslos, Kontrollen, Restriktionen, Verhaftungen und Deportationen wechseln sich ab. Es ist kaum möglich, sich in dem besetzten Land zu bewegen, das Leben der Belgier spielt sich auf eng begrenzter lokaler Ebene ab. Durch die Plünderungen fehlt es an allem, Hunger und Krankheiten unter der Bevölkerung sind die Folge. Eine medizinische Notversorgung funktioniert nur dank des Einsatzes karitativer Organisationen. Die Besatzungsmacht unterdrückt rigoros jedes nationale Bekenntnis, daher werden die Kirchen zu einem Ort des Patriotismus, die Gottesdienste, in denen
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