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Die Frau aus Alexandria

Die Frau aus Alexandria

Titel: Die Frau aus Alexandria
Autoren: Anne Perry
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aber niemandem wäre es möglich gewesen, einen von beiden mit der Sache in Verbindung zu bringen. Wir haben sie einfach deshalb nicht zusammen gesehen, weil wir so früh aufgetaucht sind. Aus der Frau ist kein Wort herauszubringen ...«
    »... und ihn fragen Sie nicht, weil Sie es nicht so genau wissen wollen«, beendete Pitt den Satz für ihn.
    »So in der Art«, gab Talbot zu. Er sah elend drein. »Falls der Sicherheitsdienst diese Aufgabe übernehmen will, nur zu! Meinen Segen haben Sie. Ryerson wohnt am Paulton Square in Chelsea. Die Hausnummer weiß ich nicht, aber Sie können sich ja erkundigen. Viele Minister gibt es da sicher nicht.«
    »Zuerst möchte ich mit der Frau reden. Wie heißt sie überhaupt?«
    »Ayesha Sachari«, gab Talbot zur Antwort. »Aber ich darf Sie nicht zu ihr lassen, Sicherheitsdienst hin oder her. Die Anweisung kommt von ganz oben. Da sie Mr Ryerson nicht belastet hat, hat der Sicherheitsdienst nichts mit dem Fall zu tun. Sofern sich die ägyptische Botschaft dazu äußert, muss sich das Auswärtige Amt, der Lordkanzler oder was weiß ich wer noch damit beschäftigen. Davon aber war bisher nicht die Rede. Noch ist sie einfach eine Frau, die wir wegen Mordes an einem früheren Liebhaber festgenommen haben, und es gibt keinen vernünftigen Grund anzunehmen, dass sie es nicht getan hat. So liegen die Dinge, Sir – und was mich betrifft, bleibt das auch so. Hier kommen Sie nicht zum Zug, und wenn Sie damit nicht zufrieden sind, müssen Sie es woanders probieren.«
    Pitt steckte die Hände in die Hosentaschen. In der einen hatte er ein Stück Bindfaden, ein halbes Dutzend Münzen, ein eingewickeltes Pfefferminzbonbon, zwei Stückchen Siegelwachs, ein Federmesser und drei Sicherheitsnadeln, in der anderen ein Notizbuch, einen Bleistiftstummel und zwei Taschentücher. Flüchtig kam ihm der Gedanke, dass das zu viel war.
    Talbot sah ihn aufmerksam an. Zum ersten Mal merkte Pitt, dass der Mann Angst hatte. Dazu gab es allerdings auch reichlich Grund. Wenn er sich irrte, ganz gleich, ob zu Ryersons Gunsten oder Ungunsten, würde es ihm das Genick brechen. Hier ging es nicht um Fakten, sondern um die Einschätzung der Lage. Er würde die Schuld auch dann auf sich nehmen müssen, wenn andere einen Fehler gemacht hatten, Männer, die mehr Macht besaßen und mehr zu verlieren hatten als er.
    »Mr Ryerson ist also zu Hause?«, fragte Pitt.
    »Soweit ich weiß, ja«, sagte Talbot. »Hier ist er jedenfalls nicht. Wir haben ihn gefragt, ob er uns bei den Ermittlungen behilflich sein könnte, und er hat verneint. Er hat gesagt, dass er Miss Sachari für unschuldig hält. Er könne sich nicht vorstellen, dass sie einen Menschen töten würde, es sei denn, dieser habe ihr nach dem Leben getrachtet. In dem Fall aber könne von einem Verbrechen keine Rede sein.« Er zuckte die Achseln. »Ich hätte das alles ohne ihn zu fragen hinschreiben können – schließlich hat er das Einzige gesagt, was ihm möglich war, um ihren Ruf zu wahren: dass er nichts weiß und gerade erst angekommen war und so weiter. Kein Ehrenmann würde eine Dame eine Hure nennen, nicht einmal dann, wenn sie eine ist und alle Welt es weiß. Und natürlich war nicht zu erwarten, dass er zugeben würde, dass sie es getan hat, oder? Schließlich würde es wie Verrat aussehen – ihre Beziehung ist allgemein bekannt. Aber wie gesagt, sie hat nicht bestritten, dass ihr die Pistole gehört. Wir haben ihren Diener gefragt, und er hat die Waffe erkannt. Es war seine Aufgabe, sie zu putzen, zu ölen und so weiter.«
    »Und warum hatte sie eine?«
    Talbot spreizte die Hände. »Was weiß ich! Es kommt einzig und allein darauf an, dass es ihre Waffe ist. Überlegen Sie doch nur:
Wachtmeister Cotter hat sie im Garten mit der Leiche eines verflossenen Liebhabers gefunden, die quer über einer Schubkarre lag. Was erwarten Sie noch von uns?«
    »Nichts«, räumte Pitt ein. »Danke für Ihre Geduld, Inspektor. Falls sich etwas Neues ergeben sollte, melde ich mich wieder.« Er zögerte einen Augenblick und sagte dann mit einem Lächeln: »Viel Glück.«
    Talbot verdrehte die Augen, doch sein Ausdruck entspannte sich flüchtig. »Danke«, sagte er mit einem Anflug von Sarkasmus. »Ich wollte, ich könnte mich so einfach aus der Sache davonstehlen wie Sie.«
    Mit breitem Lächeln und einem unleugbaren Gefühl der Erleichterung ging Pitt zur Tür. Von ihm aus konnte der arme Talbot den Fall gern bearbeiten, der letzten Endes nahezu mit Sicherheit nichts
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