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Die Fotografin

Die Fotografin

Titel: Die Fotografin
Autoren: Anne Chaplet
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hörte den beiden Freunden mit halbem Ohr zu, während er in der Kochnische die Rükkenfilets von der Wirbelsäule der beiden Kaninchen löste und sie in die vorbereitete Marinade aus Öl, Sojasauce, Sherry, Honig und Ingwer bettete. Die Schenkel legte er in eine Schale, übergoß sie mit einem Sud aus Rotwein, Gewürzen und Suppengrün und stellte sie beiseite.
    »Was ist los, Karen?« fragte Kosinski. »Du bist zurück in deinem Karnickelställchen bei der Frankfurter Justiz. Niemand sagt etwas gegen dich. Deine Konkurrentin ist weg vom Fenster. Was willst du mehr?«
    »Ich weiß auch nicht. Aber die Stimmung in meiner Abteilung ist mies. Und niemand redet über das, was war.«
    »Meine Güte, das liegt doch auf der Hand. Sie haben Schuldgefühle.« Für Kosinski war das sonnenklar.
    Bremer grinste in sich hinein. Der alte Freund hatte ihn vorhin mit »Noch fünf Jahre und drei Monate bis zur Frühpensionierung!« begrüßt und die Augen gerollt dabei. Jeder wußte, wie sehr er an seinem Beruf hing: »Dorfbulle ist ein Traumjob«, pflegte er zu sagen, wenn jemand Berlin oder Frankfurt erwähnte.
    Bremer hörte die beiden murmeln. Nemax kam vorbeigestrichen und schnüffelte an seinem Hosenbein. So liebte er die Wochenenden: essen und trinken mit Freunden.
    »Was ich nicht verstehe…« Gregor Kosinski hatte noch zwei Bier gezapft und brachte frische Luft von draußen mit. »So richtig erfolgreich war Ben Berg mit seinem Rachefeldzug ja nicht.«
    »Wie man’s nimmt. Wir wissen schließlich nicht, wen er noch erledigt hat. Nur vier der sieben Pistolen aus dem Raub sind bislang aufgetaucht.« Karen klang immer noch nicht besser gelaunt.
    »Aber warum hat er Martin Schmid nicht gleich umgebracht?«
    »Er hatte längst die Lust an seiner fixen Idee verloren. Erst, als er glaubte, Schmid habe Alexa auf dem Gewissen…« Karen biß sich auf die Lippen. Sie erinnerte sich an das weiße Gesicht der jungen Frau. Alexa ließ nicht erkennen, was sie mitbekommen hatte vom Gespräch auf der Terrasse, als sie nach dem Schuß herangestürzt kam und die oberflächliche Wunde an Bergs Arm verband.
    »Hmmm.« Kosinski war aufgestanden und versuchte, mit der Fliegenklatsche die Spielzeugmaus unter dem Schrank hervorzufegen, die Nemax beim wilden Spiel daruntergeschleudert hatte und der er verzweifelt hinterherkriechen wollte. Dann richtete er sich wieder auf und ließ das aufgeregte Katerchen nach dem Spielzeug springen.
    Bremer erhitzte Öl in der Pfanne.
    »Er hat sich in Alexa Senger verliebt. Manchem vergeht in diesem Zustand die Lust auf Rache.«
    Bremer hörte Karen leise lachen. Er nahm die Filets aus der Sauce und tupfte sie ab.
    »Und warum hat er sie dann verlassen?«
    »Innerer Zwiespalt? Hin und hergerissen zwischen Lust und Pflicht?«
    Die Pflicht des Sohnes, den Vater zu rächen. Eine Pflicht aus dem Wörterbuch des Archaischen, dachte Bremer. Sechzehn Jahre lang war Ben Berg einem Wahn hinterhergelaufen. Er wunderte sich über das Mitleid, das ihn plötzlich erfaßte.
    »Und warum kam er zurück?« Karen gab die Antwort gleich selbst. »Weil die Liebe stärker war«, sagte sie theatralisch.
    Kosinski seufzte. »Und ausgerechnet der Liebe wegen hat er Schmid dann doch noch erschossen. Das ist der Stoff, aus dem Tragödien sind.«
    Bremer legte die Filets in die Pfanne und ließ sie anbraten. Dann fügte er die Marinade hinzu.
    »Und was wird nun aus der Liebe?« Man merkte Kosinski an, daß er dem Stoff, aus dem Tragödien sind, nicht traute.
    »Ich wäre ungern mit einem Mann zusammen, von dem ich wüßte, daß er ein Mörder ist.«
    »Aber weiß sie’s?«
    Alexa sieht, was sie sehen will, dachte Paul Bremer. Es war eine Schwäche, aus der man auch eine Stärke machen konnte. Und wieder tat ihm Ben Berg leid.
    Er nahm die Filets aus der Pfanne, wickelte sie in Alufolie und stellte sie warm. Dann verrührte er einen Löffel Bärlauchpesto im Bratensatz und ließ den Fond einkochen. Als er die Teller mit Filet und Sauce an den Eßtisch brachte, war Kosinski schon wieder draußen gewesen, Bier zapfen. Karen kraulte das schnurrende Katerchen.
    Für eine Weile sagte niemand etwas.
    »Dein Essen versöhnt mit der Weltlage.« Kosinski seufzte wohlig und schob den leeren Teller von sich.
    »Warte, bis du den zweiten Gang probiert hast«, sagte Bremer und grinste ihm zu.
    Erst nachdem auch von den Kaninchenbeinen nur Knochen übrig geblieben waren, fiel ihm auf, wie schweigsam Karen geworden war.
    »Du machst dir Vorwürfe,
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