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Die Fotografin

Die Fotografin

Titel: Die Fotografin
Autoren: Anne Chaplet
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Karen«, sagte Kosinski irgendwann mit einer Stimme, die zu Geständnissen einlud.
    Bremer stand auf und räumte das Geschirr zusammen.
    »Ich mußte einen Mörder laufenlassen«, sagte Karen. »Das paßt nicht in mein Berufsbild.«
    »Verstehe.«
    »Wirklich?«
    Bremer sah aus den Augenwinkeln, daß sie sich kerzengerade aufgesetzt hatte. Nemax war von ihrem Schoß gesprungen und jagte einer verspäteten Fliege hinterher.
    Kosinski räusperte sich. »Sie hieß Evangelina. Sie hatte vier Kinder. Irgendwann hat sie sich gewehrt, als ihr Mann sie zum wiederholten Mal schlug und nötigte. Sie hat ihm mit einem Ausbeinmesser 47 Stiche versetzt – ein besonders brutaler Tötungsakt. Und trotzdem: Ich habe Beweismaterial verlegt und mit Hilfe der Staatsanwältin für einen Verfahrensfehler gesorgt. Der Richter wirkte regelrecht erleichtert.«
    »Ich hasse Selbstjustiz.«
    Stimmt nicht, dachte Bremer. Am meisten haßt du die Zerstörung deiner Ideale.
    »Evangelina hätte eine milde Strafe bekommen – drei, vier Jahre. Aber für die vier Kinder wären auch diese paar Jahre zu lang gewesen.«
    »Und für welche sozial bedeutsame Aufgabe läuft Ben Berg weiterhin frei herum?«
    »Sein Kind braucht einen Vater«, sagte Bremer.
    »Vaterlosigkeit haben schon seine Eltern erlebt.« Karen sah aus, als ob sie »Ach was« sagen wollte. »Ben Berg bleibt ungeschoren, weil niemand will, daß herauskommt, wie schlampig der Laden geführt wird, der sich immerhin Bundeskriminalamt nennt. Das zählt bei mir nicht zu den edleren Motiven.«
    Bremer goß Sahne in die Rührschüssel und stellte den Mixer an.
    »Sie haben ihre Fürsorgepflicht verletzt. Sie haben Ben Berg nicht geschützt vor sich selbst.« Nemax sprang wieder auf Karens Schoß, gähnte, rollte sich zusammen und schloß die Augen.
    »Karen«, hörte er Kosinski sagen. Er klang behutsam, so, als ob er auf einen störrischen Gaul einredete. »Ich fürchte mich nicht vor Feiglingen und Rechtsbeugern. Wir können nicht immer gerade Straßen befahren – das ist nun mal die Realität, in der wir leben. Aber Angst – richtige, tiefe Angst – habe ich vor denen, die diesen Zwiespalt gewaltsam schließen wollen. Die glauben, eine bessere Welt mit Waffengewalt herstellen zu können, oder die Gerechtigkeit schaffen wollen, indem sie Selbstjustiz üben.«
    »Also so jemand wie Ben Berg.« Karen klang trotzig.
    »Du klingst wie er. Ist nicht jedes fehlerhafte System besser als fanatische Rechthaberei?« Bremer stellte die Schüssel mit Tiramisu auf den Tisch. Im Grunde verstand er beide Positionen, die Karens und die Gregor Kosinskis. Das mußte sein Schicksal sein.
    Kosinski machte einen langen Hals, schaute in die Schüssel und dann vorwurfsvoll hoch. Paul ahnte, was der Freund dachte: Dreißig Sekunden im Mund. Dreißig Minuten im Magen. Und dreißig Jahre auf den Hüften.
    »Ich möchte keine Rache. Oder Buße. Ich möchte Sühne.« Karen gab sich noch immer als strenge Hohepriesterin des Rechtsstaates.
    »Koste es, was es wolle! Und wenn dafür Köpfe rollen müssen!« sagte Kosinski mit übertriebener Begeisterung.
    Endlich begann Karen zu grinsen.
    »Weichei«, sagte sie.

DANK
    D ies ist kein Schlüsselroman. Die auftretenden Personen gleichen höchstens von weitem lebenden Vorbildern. Sie verdanken sich allesamt der Phantasie der Autorin, und sollte diese damit ab und an die Realität nicht verfehlt haben – um so besser.
    Mein Dank geht an die Frankfurter Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt Hessen für ermittlungstechnische Hilfestellung. Daß man Romane mit Todesfolge dort für wenig realistisch hält, erklärt sich aus der Statistik: In der Vielzahl krimineller Aktivitäten spielen Mord und Totschlag eine Minderheitenrolle. Sie gehören auch in der Abteilung II der Frankfurter Staatsanwaltschaft, Buchstaben R (ohne Re), Sa-Sal, nicht eben zum täglich Brot.
    Mein Dank für Inspiration (und notfalls Gnadenlosigkeit) gehört vor allem Antje Kunstmann, und, ziemlich gleich danach, R. W., E. E., W. E. und C. S. Für unschätzbare Tips aus der kriminalistischen Praxis danke ich D. K. Die Wanderungen im Bois de Peyrebelle und viele Hinweise auf das authentische Frankreich (und nicht zuletzt auf korrektes Französisch) verdanke ich P. S., A. S. und S. S. Von den Kritikern wie von den Lobpreisenden im Freundeskreis, U. W.-L. und B. L., St. A. und I. G. und nicht zuletzt St. O., habe ich ungemein profitiert. Das Lob hat gewärmt, und die Kritik hat abgekühlt. Beides war
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