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Die Formel der Macht

Die Formel der Macht

Titel: Die Formel der Macht
Autoren: Jasmine Cresswell
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Minute könnte ich vor Ehrfurcht anfangen zu heulen, weil weite Teile des Regenwalds immer noch so herrlich und unberührt sind. Und in der nächsten Minute würde ich am liebsten vor Wut laut schreien, weil sie alles so kaputt gemacht haben.”
    Sie bereute es schon, etwas gesagt zu haben, weil sie jetzt die typischen Argumente erwartete, dass Umweltschutz und ökonomische Entwicklung manchmal eben leider nicht Hand in Hand gingen, aber Duncan überraschte sie, indem er ihr zustimmte, dass die Schnellstraße, die man mitten durch den Regenwald gebaut hatte, ein inakzeptabel hoher Preis für die ökonomische Erschließung und eine brutale Ausbeutung der Naturressourcen war.
    Froh darüber, dass sie ihre ungewohnte Harmonie nicht zerstört hatte, plauderte Summer für den Rest des Tanzes fast freundschaftlich mit ihm. Seine Jahre als Diplomat hatten einen großartigen Tänzer aus ihm gemacht, zumindest von der gesetzteren Ballsaalsorte, und sie fand es ausgesprochen angenehm, zu den Klängen des Kaiserwalzers von Johann Strauß über das Parkett gewirbelt zu werden. Kein Wunder, dass die Anstandsdamen des 19. Jahrhunderts so aufgescheucht waren, als der Walzer seinen Weg in die feine Gesellschaft fand, dachte Summer. Dieses Herumwirbeln hatte etwas entschieden Erotisches, und es fiel ihr schwer, sich daran zu erinnern, dass es Duncan Ryder war, der sie in seinen Armen hielt und dieses unerwartete Aufflackern von Sinnlichkeit in ihr auslöste. Offenbar musste sie ihrem Liebesleben dringend mehr Aufmerksamkeit schenken, wenn ausgerechnet Duncan sie dazu bringen konnte, sehnsüchtig an kühle Laken und heißen Sex zu denken.
    Gordon Shepherd hatte mit Senhora Nabuco, der Frau des brasilianischen Außenministers, getanzt, und ihre Wege kreuzten sich, als Summer und Duncan die Tanzfläche verließen. Summers Vater machte sie miteinander bekannt, und Senhora Nabuco – eine elegante gertenschlanke Frau von Anfang Fünfzig – erlag Duncans Charme und seinem blendenden Aussehen fast genauso schnell wie zuvor Rita. Die beiden waren schon bald in ein Gespräch über einen brasilianischen Komponisten vertieft, von dem Summer noch nie etwas gehört hatte und den Senhora Nabuco und Duncan Ryder offenbar beide bewunderten.
    Ihr Vater streifte Duncan mit einem beifälligen Blick, bevor er sich zu Summer umwandte. “Wie geht es dir, meine Liebe?”, erkundigte er sich, während er sie aus dem Gedränge führte, um sich einen Moment ungestört mit ihr unterhalten zu können. “Es ist viel zu lange her, seit wir Gelegenheit hatten, ein bisschen zu plaudern, aber mein Terminkalender ist in letzter Zeit wirklich lächerlich voll. Ich sollte mir jeden Tag wenigstens fünf Sekunden zum Atemholen freihalten.”
    “Ist schon okay, Dad. Ich weiß, dass dein Job für die nächsten Monate oberste Priorität hat. Aber wenn deine Amtszeit vorbei ist, haben wir viel Zeit, das Versäumte nachzuholen. Immerhin sind ja bald Wahlen, und wenn die neue Regierung vereidigt ist, bist du wieder ein freier Mann.”
    “Wie wahr.” Ihr Vater runzelte die Stirn und schien einen Moment zu überlegen, dann lächelte er und tätschelte ihr ein bisschen unbeholfen die Hand. “Du siehst heute Abend wirklich hübsch aus, Summer. Ich habe ganz vergessen, wie attraktiv du sein kannst, wenn du dich richtig kleidest.”
    “Danke.” Sie beschloss es als ein Kompliment zu nehmen und die unterschwellige Missbilligung zu überhören. “Du siehst auch verflixt gut aus, Herr Minister. Weit und breit kein graues Haar in Sicht und auch keine neuen Falten. Die viele Arbeit und der katastrophal vollgestopfte Terminkalender scheinen dir ausgesprochen gut zu bekommen.”
    Er grinste geschmeichelt und strich sich mit der Hand übers Haar. “Nicht schlecht für einen Mann, der gerade sechzig geworden ist, was? Zum Glück finde ich die viele Arbeit belebend, und du weißt ja, dass ich noch nie viel Schlaf gebraucht habe.”
    “Nein, du bist schon immer spät ins Bett gegangen und früh aufgestanden. Ganz anders als Mom. Erinnerst du dich noch, wie sie nachts bis in die Puppen aufblieb und dann bis mittags schlief? Sie hat es fertiggebracht, um drei Uhr morgens noch Brot zu backen.”
    Er runzelte die Stirn; offenbar war ihm die Erwähnung seiner früheren Frau unangenehm. “Ich fürchte, deine Mom hatte kein großes Talent, sich ihre Zeit einzuteilen. Dass sie sich an keinen Zeitplan halten konnte, war ein ständiger Reibungspunkt zwischen uns. Aber was soll's, das ist
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