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Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Titel: Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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nicht der Mann, der ruhig auf sich zielen ließ. Mit schnellem Griff riß er ein unter seinem Rock verborgenes, wenigstens zwölf Zoll langes Bowiemesser heraus und führte damit schon in der nächsten Sekunde einen so kräftigen, wohlgemeinten Hieb nach dem entsetzt Zurückfahrenden, daß er ihm, wenn jener Stich saß, den Schädel unfehlbar mit dem schweren Stahl gespalten haben müßte. Der aber, dem die jetzt zornfunkelnden Augen des Gereizten nur zu deutlich verrieten, was ihn erwartete, sprang mit lautem Aufschrei zur Seite, und nur die Spitze des Messers traf ihn vorn an der Schulter und riß ihm den Rock bis hinab an den Saum mit einem Hieb auf.
    Der Schlag war zu tüchtig geführt gewesen, um an dem vollen Ernst des Mannes nur einen Augenblick zu zweifeln Sein Auge flog auch jetzt mit so dunkelglühendem und herausforderndem Trotz über die anderen hin, daß sie scheu und fast unwillkürlich den Iren losließen. Der aber fühlte seine Glieder kaum wieder frei, als er auch schon rasch empor sprang und nicht übel Lust zu haben schien, den für ihn fast so verderblich gewordenen Kampf an Ort und Stelle zu erneuern. Smart jedoch hielt seinen rechten Arm wie mit eisernem Griff umspannt, und ehe noch die für den Augenblick wie vor den Kopf gestoßenen Männer einen neuen Entschluß fassen oder es über sich gewinnen konnten, dem so herausfordernd gezeigten Stahl zu trotzen, zog der Wirt den kleinen Iren mit sich fort und verschwand gleich darauf im Innern seines Hauses.
    »Verdamme meine Augen!« schrie da plötzlich der schon früher erwähnte bleiche Geselle mit der Narbe. – »Sollen wir uns das gefallen lassen? Wer ist denn der langbeinige Schuft von einem Yankee, der hier nach Arkansas kommt und einem ganzen Haufen ordentlicher Kerle vorschreiben will, was er zu tun und zu lassen hat? Ei, so steckt doch dem Halunken das Haus über dem Kopfe an!«
    »Bei Gott, das wollen wir! – Kommt, Boys, holt das Feuer aus seiner eigenen Küche!« tobte und wütete die Schar. »Nieder mit der Kneipe; die Bestie will sowieso nichts pumpen!«
    Die Masse wandte sich rasch zur Untat entschlossen gegen das bedrohte Haus, und wer weiß, wie weit sie in ihrem augenblicklich und heftig entflammten Grimm gegangen wäre, hätte sich ihr nicht jetzt mit der freundlichsten Gebärde ein Mann entgegengestellt, der sie mit hocherhobenen Armen und lauter Stimme bat, ihm einen Augenblick Gehör zu schenken. Er war hoch und schlank gewachsen, mit offener freier Stirn, dunklen Augen und Haaren und feinen, fast weiblich schön geschnittenen Lippen. Auch in seiner ganzen Haltung lag etwas Gebieterisches und doch wieder Geschmeidiges, und seine Kleidung, die aus feinem schwarzen Tuch und schneeweißer Wäsche bestand, verriet ebenfalls, daß er entweder diesen Kreisen fremd war oder doch eine Stellung bekleidete, die ihn über seine Umgebung erhob. Er war zu gleicher Zeit Advokat und Arzt und seit einem Jahr erst aus den nördlichen Staaten hier eingetroffen, wo er sich seiner Kenntnisse und seines einnehmenden Betragens wegen in kurzer Zeit nicht allein eine bedeutende Praxis erworben hatte, sondern auch in Stadt und County zum Friedensrichter ernannt worden war.
    »Gentlemen!« redete der Advokat jetzt die wunderbarerweise rasch Besänftigten an. »Gentlemen, bedenken Sie, was Sie tun wollen. Wir befinden uns unter dem Gesetze der Vereinigten Staaten, und die Gerichte sind wohl bereit, Sie gegen den Angriff anderer wie auch andere gegen Ihren Angriff zu schützen. Mr. Smart hat Sie aber nicht einmal beleidigt, er hat Ihnen im Gegenteil einen Gefallen getan, indem er Sie vor einer Gewalttat bewahrte, die wohl böse Folgen für manche von Ihnen gehabt haben könnte. Sie sollten ihm eher dankbar sein. Mr. Smart ist auch sonst in jeder Hinsicht ein Ehrenmann.«
    »Hol' ihn der Teufel!« rief der Kerl, nach dem der Wirt mit seinem Messer gehauen hatte. »Dankbar sein? Ehrenmann? Ein Schuft ist er und hätte mich beinahe gespalten wie eine Apfelsine. In die Hölle mit ihm! Feuer in sein Nest, das ist mein Rat!«
    »Gentlemen! Hat Sie Mr. Smart beleidigt«, nahm hier der Richter aufs neue das Wort, »sSo bin ich auch überzeugt, daß er alles versuchen wird, seinen begangenen Fehler wiedergutzumachen; kommen Sie, wir wollen ruhig zu ihm hinaufgehen, und er mag dann mit freundlichem Wort und einer kleinen freiwilligen Spende an Whisky, die wir ihm auferlegen werden, das Geschehene ausgleichen. – Sind Sie damit zufrieden?«
    »Ei, hol's der
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