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Die Flüchtlinge

Die Flüchtlinge

Titel: Die Flüchtlinge
Autoren: Marta Randall
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auszuweiten, ihn auf andere zu projizieren und mich zu fragen, ob so etwas außerhalb von uns beiden auch existierte. Dennoch blieb diese Liebe eine grundsätzliche Emotion in mir – und sie war so allumfassend wie Haß, Verärgerung oder Verlangen –, die mich mit gutem Gewissen nicht daran glauben lassen konnte, daß es sie anderswo nicht gab. Obwohl ich alles tat, um diesen Gedanken wieder zu verdrängen, gelang es mir nicht. Ich lernte, mit ihm zu leben.
    Und so wie mein Sohn mich mit Leben erfüllte, war ich auch dazu gezwungen, den Rest der Welt zur Kenntnis zu nehmen. Unsere unsichtbaren Gastgeber schienen dazu bereit zu sein, uns ein Leben lang zu beherbergen, aber auf Anselm konnte ich nicht bleiben. Wie ich nach einigen diskreten Nachforschungen herausfand, gab es dort nichts für mich zu tun. Anselm war mit Biophysikern wohlversorgt, und sie arbeiteten legal und offen. Es gab zwar ein paar Hinweise, daß es auch geheime Tätigkeiten gab, aber sie waren nicht mehr nach meinem Geschmack. Irgendwann, dachte ich, würden die abwesenden Ortegas unserer auch müde werden, und ich hatte nicht vor, mein Kapital für die simplen Notwendigkeiten des Lebens zu vergeuden. Wir faßten es ins Auge, den Planeten zu verlassen, und der Gedanke belebte mich.
    Anselm und Gregory 4 hatten untereinander keine Auslieferungsabkommen geschlossen, das stimmte. Aber eine Möglichkeit, Personen abzuschieben, die weder die Gesetze kennen noch Beziehungen zur Regierung haben, gab es immer. Ich wollte nichts dem Zufall überlassen, weder in bezug auf mich noch auf meinen Sohn. Deshalb begab ich mich eines Tages zum Hafen, nachdem ich über das Nachrichtensystem erfahren hatte, daß es dort im Augenblick keine gregorianischen Schiffe gab. Tatsächlich war der Hafen an diesem Morgen beinahe verwaist, und der Mann hinter dem Schalter schien sogar etwas sauer darüber zu sein, daß ich ihn in seinem Halbschlaf störte. Er legte mir die Bücher auf den Tresen, und ich blätterte sie durch. Ich sah Schiffslisten, Fahrpreise, Bestimmungsorte. Für mich schienen sie alle gleich zu sein.
    Spider bat um ein Glas Wasser. Der Mann beugte sich über den Tresen und sah meinen Sohn an.
    „Aber sicher“, sagte er. „Kannst du haben.“ Er brachte ihm das Wasser in einer kleinen Tasse. Spider bedankte sich.
    „Wie heißt du denn?“ fragte der Mann und beugte sich zu ihm hinab. Ich lächelte bei dem Gedanken, daß der Fremde gleich erkannt hatte, daß mein Sohn ein helles Köpfchen hatte.
    „Spider.“
    „Spider? Und weiter? Ist das dein einziger Name?“
    „Spider Kennerin.“ Er gab dem Mann mit einem ernsten Gesichtsausdruck die Tasse zurück.
    „Das ist aber ein schöner Name.“ Der Mann sah mich an und richtete sich dann auf. „Und er kommt mir sogar irgendwie bekannt vor.“
    Ich lächelte beiläufig und faßte nach Spiders Hand.
    „Ein ungewöhnlicher Name ist es gerade nicht“, erwiderte ich.
    „Jetzt habe ich es.“ Er bückte sich hinter den Tresen und schlug in einer Kladde nach. „Ich glaube, da war jemand, der was gesucht hat. Irgendwo müßte es doch stehen. Da war jemand namens Kennerin. Heath? Harl? Irgendwas in der Richtung.“
    „Kenne ich nicht“, sagte ich und schloß das Buch, das ich gerade in der Hand hatte. „Ich glaube, ich werde es mir noch überlegen“, sagte ich. „Wir kommen dann noch mal wieder.“
    Der Mann blätterte immer noch in der Kladde herum. „Warten Sie, hier habe ich es! Da ist ein Bursche hiergewesen, der nach einem Hart Kennerin Ausschau hielt. Vor einem Jahr.“
    Ich schüttelte den Kopf und ging zur Tür. „Tut mir leid“, sagte ich.
    „Ein Bursche namens Jes. Sein Nachname ist unleserlich.“
    Ich blieb stehen und ging dann langsam zurück.
    „Vor einem Jahr?“
    „Ein Jahr und drei Monate. Standardzeit. Sehen Sie mal.“
    Der Eintrag sprach von einem Kapitän Jes Kennerin. Er war drei Tage geblieben und dann wieder abgereist. Zweck des Besuches: Suche nach seinem Bruder. Er suchte nach mir.
    Spider zupfte an meinem Arm und sagte, er möchte aus dem Fenster sehen. Ich ließ ihn los und wandte mich noch einmal den Flugplänen zu.
    Von Anselm zum Gregory/Acanthus-Hauptgreifer. Von dort aus waren nach Althing Green auf der Seat he zwei Plätze frei. Zwei Plätze gab es von Althing Green auf der Pollux, die nach Terminus ging. Von dort aus flog ein Frachter namens Absalom nach Haven, To’an Cault, Aerie. Die Reise würde drei Wochen dauern.
    Am nächsten Tag buchte ich die Passagen
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