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Die Flüchtlinge

Die Flüchtlinge

Titel: Die Flüchtlinge
Autoren: Marta Randall
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überglücklich mit seinem Sohn im Park des Regenten. Ihr Gelächter vermischte sich mit dem Singen der Vögel.
     
    Die Sommerhitze nahm zu. Die Wohlhabenden flohen aus der Stadt auf ihre Landsitze oder ans Meer, die Armen schlichen wie Schatten ihrer selbst durch die verwaisten Straßen und suchten nach kühlen Gegenden. Der Erzbischof blieb dieses Jahr in Saltena. Wenn Hart die Gemahlin des Regenten besuchte, sah er ihn oft. Stonesh saß dann in einem blühenden Garten oder einem abgedunkelten, fensterlosen Raum, las in einem Buch, hob träge den Kopf und nickte ihm geistesabwesend zu, während Hart eine Verbeugung machte und – die Arzttasche an der Hand – seiner Wege ging. Die Gemahlin nahm seine Untersuchungen schweigend hin, denn die Hitze hatte auch sie entkräftet. Hart begann an seinen eigenen Erinnerungen zu zweifeln. Er war sich nun nicht mehr so sicher, ob sie wirklich die blöde Gebärmaschine war, für die er sie im ersten Moment gehalten hatte. Hin und wieder sah er auch den Regenten im Park. Der Stellvertreter Gottes auf dieser Welt bewegte sich langsam und mit zunehmender Konfusion. Einmal fiel Hart auf, das sein Gesicht geschwollen und voller Kratzer war, und er fragte sich, ob die Lakaien ihren Herrn verprügelten und sich in einem solchen Fall jemand darum scherte. Der Regent selbst blökte kläglich wegen des Wetters und der zunehmenden Leibesfülle seiner Gattin, die Hart im siebten Monat ihrer Schwangerschaft befahl, die Tür zu schließen und es mit ihr zu treiben. Hart schloß die Augen und stellte sie sich gefesselt, gebrochen und unter seinen Händen hilflos weinend im harten Licht seiner Laborlampen vor. Sobald sie ihren Orgasmus erreicht hatte, stieß sie ihn von sich und wandte sich stumm ab. Hart glitt in seine Kleider und machte sich davon. Im Vorzimmer saß Tara. Sie trug die Kleider einer Hofdame und strickte. Als Hart an ihr vorbeikam, hob sie den Kopf und lächelte. Es lief ihm kalt den Rücken hinunter. Hart nahm seine Verärgerung und sein pulsierendes Geschlechtsorgan mit nach Hause und stieß Melthone bis in die frühen Morgenstunden. Der Stadtmief überlagerte sogar schon die Blumengärten des Palastes, und es hatte den Anschein, als würde der Sommer niemals enden.
    Und dann, mit geradezu unerwarteter Gnade, kam der Herbst. Das Meer trieb kalte Winde vor sich her; die Morgen wurden kühl, die Tage erträglich und die Abende klar und sternenüberladen. Die die Alleen säumenden, spätblühenden Bäume öffneten unzählige, magentafarbene und grüne Kelche, unter deren Schatten die zurückkehrenden Bürger in der nun aushaltbaren Hitze herumflanierten. Die Schelme, die sonst Eis und Früchte verkauften, wurden wieder zu braven Chorknaben, und die Glocken der Kathedralen bewegten sich wieder in kühlerer Luft.
    Am letzten Hasttag des Herbstes erschien Hart im Palastgarten und fand Spider in ein ernsthaftes Gespräch mit der Gemahlin des Regenten vertieft. Er blieb im Schatten der Bäume stehen. Spider schwenkte seine zerfranste Puppe, offenbar um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Die Gemahlin beugte sich über ihren dicken Leib und musterte sein Gesicht. Hart ballte die Fäuste und ging über das frischgemähte Gras auf die beiden zu.
    „Menet Kennerin“, sagte die Gemahlin.
    Spider ließ die Puppe fallen und sprang Hart in die Arme.
    Hart küßte seinen Sohn und verbeugte sich linkisch. „Eure Hoheit?“
    „Ihr Sohn ist wirklich eine Freude. Sind alle Kinder so charmant?“
    „Ich habe nicht die geringste Ahnung, Madame“, sagte Hart und drehte sich um.
    „Menet! Ich habe Sie noch nicht entlassen!“
    Hart sah sie an. In der grünen Robe und mit dem dicken Bauch sah sie aus wie ein wütender Frosch. Er grinste.
    „Madame, es liegt nicht an Ihnen, mich zu entlassen. Ich bin gekommen, um meinen Sohn zu besuchen, nicht jedoch, um Ihnen einen Dienst zu erweisen!“
    „Ich bin die Gemahlin des Regenten.“
    Hart nickte ihrem Bauch zu. „Das sind Sie, in der Tat.“
    Sie trat unruhig von einem Fuß auf den anderen und faltete die Hände. „Sie verabscheuen mich“, sagte sie.
    Hart schwieg.
    „Sie haben etwas dagegen, daß ich mit Ihrem Sohn spreche?“
    „Ja.“
    „Und warum?“
    „Weil ich Menschen bevorzuge, die nur ein Gesicht haben, Madame.“
    Sie lachte abrupt und legte die Hände auf den Bauch. Ihre Finger waren gerade und schlank. „Ich tue mein Bestes“, erwiderte sie.
    Spider griff nach seiner Puppe. Hart setzte den Jungen ins Gras.
    „Ich habe
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