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Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Titel: Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.
Autoren: Mike Powelz
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einen Roman von Agatha Christie las. Damals habe ich Dir verraten, dass er ein Buch schreiben möchte. Du warst zu diesem Zeitpunkt gerade eingezogen, und anscheinend vollkommen überfordert – deshalb hast Du mich so verteufelt. Ich wirkte auf Dich, als wollte ich Dir den Tod schön quatschen . In Wirklichkeit haben wir Dich optimal versorgt. Du hast niemals unter Schmerzen gelitten und warst zu keinem Zeitpunkt allein. Tag und Nacht saß jemand an Deinem Bett, der mit Dir geredet oder Deine Hand gestreichelt hat. All das hast Du innerlich verarbeitet, und Dich trotzdem vom Sterben distanzieren wollen. Jetzt bist Du dem Punkt nahe, wo Dein Übergang bevorsteht. Gedanklich hast Du den Tod zum Serienmörder gemacht – und die Summe des Ganzen auf mich projiziert. Ich ermorde keine Menschen.“
    „Das glaube ich nicht“, stieß Minnie hervor. „Während ich in Haus Holle war, wurde ich zweimal ins Krankenhaus überwiesen, um wieder zu Kräften zu kommen. Während dieser Zeit sind Dinge im Haus passiert, die ich gar nicht wissen konnte! Ich habe es aus der Perspektive von anderen Menschen gesehen! Ich erinnere mich genau, wie Montrésor in seinem Massagesessel starb und was er dabei gedacht hat. Ich kann doch nicht in fremde Köpfe gucken!“
    „Du hast geträumt und Dich mit dem Tod aus allen möglichen Perspektiven auseinandergesetzt“, beharrte Dr. Albers. „Dafür gibt es einen Beweis.“
    Der Psychologe  ging zu Tür und öffnete sie.
    Nepomuk huschte ins Zimmer, gefolgt von Gertrud Knopinski, die plötzlich am Stock ging. Außerdem schob Bruno einen Rollstuhl hinein, in dem Professor Pellenhorn saß und fröhlich gluckste. „Sehen Sie, hier sind unsere Gäste!“, erwiderte der Psychologe  voller Liebe.
    „Guuuuteee Aaaabeennnd“, gurrte Professor Pellenhorn. „Wiiiieeeee schööööö, daaaa Siiii erwaaaacht sinnnnn! Iiiiihhh haaabe Sieee soooooo offff besuchhhhh!“
    Gertrud Knopinski schloss sich ihm an. „Meine Liebe“, sagte sie sanft. „Es ist so schön, dass Sie wieder unter uns sind. Während Sie geschlafen haben, ist unendlich viel passiert. Wir wollten doch mal Schach spielen!“
    Auch Montrésor betrat Minnies Zimmer. „Endlich sehe ich Sie wieder“, antwortete der Ex-Manager. „Erinnern Sie sich noch an unser Gespräch über Katzen, als Sie eingezogen sind?“
    „Sie leben?“, rief Minnie. „Das kann nicht sein. Ich möchte Olimpia sehen. Ich möchte sofort, dass Olimpia gerufen wird. Das hier sind ja alles Tote – ich weiß nicht mehr, ob ich lebe oder schon tot bin!“
    Die Trans-Frau trat sofort an ihr Bett. „Sie erinnern sich an mich?“, frage sie Minnie. „Wie erstaunlich! Dabei haben wir doch nie miteinander geredet. Ich habe Ihnen nur manchmal Gesellschaft geleistet, während Sie schliefen, und Ihnen aus meinem bewegten Leben erzählt.“
    Olimpia wandte sich Dr. Albers zu. „Anscheinend hat sie alles gehört und verarbeitet!“
    „Und Marius?“, rief Minnie. „Gab es diesen wunderbaren Mann wirklich?“
    „Er hat Sie zweimal besucht und Ihnen gut zugeredet. Es war die Idee Ihrer Töchter!“
    „Aber Mike – und die Rückführung und seine anderen Geschichten. Die hätte ich mir niemals ausdenken können!“
    Dr. Albers griff nach der Fernsehzeitschrift, die auf Minnies Nachttisch lag. „Sie haben Mikes Reportagen seit Jahren gelesen…“
    Olimpia, die treue Seele, setzte sich an Minnies Bett und blieb bei ihr bis zur letzten Sekunde, als die alte Dame die Wahrheit erkannte, und spürte, dass alles gut war.
    Und in derselben Silvesternacht, in der ein berühmter Fußballspieler namens Rafael van der Vaart seine Ehefrau mit einem Schubs niederstreckte und eine glückliche Ehe zerbrach, fühlte Minnie, dass sie von einer allumfassenden, unsterblichen Liebe überflutet wurde. Zum ersten Mal war sie völlig angstfrei.

Der Auszug
     
     
    Sterben – das war anders als alle gedacht hatten.
    Minnie schwebte nicht an der Decke.
    Ihr Ich ging einfach aus dem Zimmer und folgte der Musik, die es anlockte.
    Die Spur verweht …
    Am Fuß der Treppe wartete eine schwarzweiße Kuhfleckenkatze mit einem dunklen Tintenfleck unter dem Kinn auf die alte Dame, die keine alte Dame mehr war und sich auch nicht mehr so fühlte.
    Der Schmerz vergeht …
    Die wunderschönen Augen der kleinen Leuchtkatze wiesen Minnies Ich den Weg. Hinunter zur Treppe, vorbei an der Kerze, die jetzt für sie brannte.
    Als Rudi und Montrésor die Eingangstür öffneten, flackerte das Kerzenlicht.
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