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Die Flammen von Lindisfarne

Die Flammen von Lindisfarne

Titel: Die Flammen von Lindisfarne
Autoren: Rolf W. Michael
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kräftige Schenkel, schmale Hüften und einen breiten Brustkorb. Unter sonnengebräunter Haut spielten Muskeln, die anzeigten, dass der feingliedrige Körper des Jünglings bereits über die Kraft und die Zähigkeit eines Mannes verfügte.
     
    Außer der Axt besaß Lars Wolfssohn eine hier im Norden ungewöhnliche Waffe, die in einer schmucklosen Scheide an seinem handbreiten Waffengurt schwang. Seine Mutter hatte sie vor der ersten Kriegsfahrt aus der Verborgenheit einer Truhe hervor gekramt und ihrem einzigen Sohn überreicht. Noch nie zuvor hatte Lars solch eine Mischung zwischen einem langen Messer und einem Kurzschwert gesehen. Die eiserne Klinge war einseitig geschliffen und eine dünne Blutrinne lief vom Heft bis fast in die Spitze. Der Griff hinter der kurzen Parierstange war aus poliertem Nussbaumholz und den Knauf hatten kunstvolle Hände in der Form eines Pferdekopfes gearbeitet.
     
    „Nimm diesen Scrama-Sachs!“ klangen die feierlichen Worte seiner Mutter Wiltrudis im Inneren von Lars Wolfssohn nach. „Es ist das Erbe deiner Ahnen. Ein tapferer Krieger, von dem die Lieder erklingen, schwang diese Klinge in allen Kämpfen gegen die Heere des Südvolkes, das nicht an Thor und Odin glaubt. Führe diese Waffe in Ehren. Und wenn du diesen Sachs ziehst, so sei dein Kampfruf Widukind. Weise dich im Kampf deiner Ahnen und ... und deines Vaters ... würdig. Du weißt, dass dich das Auge deines Vaters zu jeder Zeit zu erspähen vermag. Und hörst du seine Raben rauschen, so sende ihnen Botschaft zu ihm hinauf.“
     
    „Ich werde so kämpfen, dass mein Vater ... dass Walvater ... auf seinem Hochsitz in Walhall stolz auf seinen Sohn sein kann“, versprach Lars Wolfssohn mit fester Stimm. Denn der Jüngling glaubte fest an die Worte seiner Mutter, dass es Odin selbst war, der ihn einst gezeugt hatte. Nun hoffte der junge Wikinger, sich nun im ersten Kampf der Abstammung eines Gottes würdig zu erweisen. Rasch entwand sich Lars Wolfssohn den Armen der Mutter und stürmte, mit einem Jubelruf den blitzenden Sachs aus der Scheide reißend, den Schiffen zu, auf denen eben die Steuerleute zum Einschiffen der Mannschaften riefen.
     
    Der Tag war gekommen, wo sich die alte Ahnen-Waffe in den Händen des jüngsten Sprosses von Widukinds Geschlecht zum ersten Male bewähren sollte.
     
    „Sag, Vater, gehen wir nur wegen der Beleidigung unseres Jarls auf Fahrt?“, fragte Lars Wolfssohn noch einmal eindringlich. Ihm erschien es absurd, wegen einiger Worte, und seinen sie auch an heiliger Stätte gesprochen, einen Krieg auszurufen. Und er sah keinen Sinn darin, dass Haakon sich nicht nur an Frodin Graumantel als dem Beleidiger selbst rächte, sondern die Hunde des Krieges über seine ganze Thing-Gemeinschaft losließ.
     
    Der schon betagte Mann mit dem kleinen, gedrungenen Körper und den Narben alter Brandwunden auf den Armen schien wie aus einem Traum aufzuschrecken. Snorre, der Schmied, war zwar nicht der Vater des jungen Mannes, dennoch ließ er es zu, dass Lars ihn in dieser Form anredete. Denn als er als das Kind eines unbekannten Vaters geboren wurde, weilte seine Mutter Wiltrudis bereits im Hause des Schmiedes von Ringan-Fjord. War man erst einmal in die Hausgemeinschaft aufgenommen, wurden keine Fragen mehr gestellt. Und Snorre war für Lars Wolfssohn ein so guter Vater, als habe ihn die Kraft seiner eigenen Lenden gezeugt. Allerdings machten die Gesichtsform, die Augen und der wohlproportionierte Athletenkörper von Lars jedem Betrachter klar, dass der kleinwüchsige, vierschrötige Schmied mit dem verfilzten Bartgestrüpp und der hohen Stirn nicht der wahre Vater des jungen Mannes sein konnte.
     
    „Du unterbrichst mein Gebet, Sohn!“ murrte Snorre und schob die lederne, mit zwei Metallbügeln verstärkte Sturmhaube über das schütter werdende Gelbhaar. „Siegvater liebt es, wenn wir seiner gedenken, bevor wir den Tanz der Schwerter beginnen. Wer weiß, wen er heute für seine hohe Halle erwählt!“
     
    „Noch einmal frage ich, Vater. Sag mir, warum wir gen Angantyr-Fjord fahren?“ die Stimme Lars Wolfssohns klang heftiger, als er es selbst wollte.
     
    „Mit dieser Frage zeigst du wieder einmal, dass die Heimat deiner Ahnen der Süden ist“, brummte der Schmied. „Kein echter Wikinger fragt nach dem Grund, warum es zum Kampf geht. Jarl Haakon rief uns zur Heer-Folge. Genügt das nicht?“
     
    „War da nicht ein Vorfall bei der letzten Feier der Sommersonnenwende?“ Lars ließ nicht locker. Er
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