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Die Flammen von Lindisfarne

Die Flammen von Lindisfarne

Titel: Die Flammen von Lindisfarne
Autoren: Rolf W. Michael
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wollte den Grund, warum er die Axt schwingen sollte, ganz genau wissen.
     
    „Ich war zu weit vom Geschehen entfernt und habe nichts gesehen!“ wehrte Snorre ab. „Wie kann ich etwas beurteilen, was meine Augen nicht erblickten. Wenn mein Jarl sagt, dass man seine Ehre besudelt hat, dann ist es für mich als Wikinger Grund genug, die Schmach mit der Waffe zu tilgen. Mögen die Südvölker jenseits der See-Dänen Reich mit Wergeld eine Neidtat sühnen - ein Wikinger weiß, dass nur Blut den Ehrenschild reinwäscht!“
     
    „Ich war dabei, da ich die Ehre hatte, das braune Fohlen zu führen, die zu Balders Ehren geopfert wurden“, mischte sich ein anderer Wikinger in das mehr geflüsterte Gespräch. Er war hochgewachsen mit breiten Schultern und einem Stier-Nacken. Die Innenflächen der Hände waren mit Schwielen und Hornhaut bedeckt - ein sicheres Zeichen, dass dieser Mann mit ihnen die schwerste Arbeit verrichtete und es besser verstand, mit dem Pflug die Furchen zu ziehen als das Schwert zu schwingen. Sein hervorstechendes Kennzeichen war jedoch eine unnatürlich große Nase, die rot durch den struppigen Vollbart hervor drang. Thorsten Elchnase war einer jener Männer, auf die in jeder Situation Verlass war. Ein fröhlicher Zecher in der Met-Halle, ein grimmiger Gegner im Kampf und ein Bauer, der auf seinen Feldern mit den Zugochsen um die Wette arbeitete.
     
    „Erzähle“, bat Lars Wolfssohn. Er war erst im Verlauf dieser Sonnenwendfeier mit anderen Altersgenossen vor dem Gau-Thing für mannbar erklärt worden. Demzufolge hatte er am ersten Tage der Feier, der nur von freien Kriegern begangen werden durfte, noch keinen Zutritt zu Odins heiligem Hain gehabt. Eben das war der Schicksalstag, an dem die alte Freundschaft zwischen Frodin Graumantel und Haakon Bärensprung zerbrach.
     
    „Frodin hat unseren Jarl durch Wort und Tat beleidigt!“, erklärte Thorsten Elchnase. „Aber eigentlich ist die schöne Swanahild der Grund für unsere Kriegsfahrt.“
     
    „Die Tochter des Jarl von Angantyr-Fjord?“, frage Lars verwundert.
     
    „Ja, Frodin Graumantels jüngste Tochter, von der es heißt, dass ihre Schönheit und Anmut selbst Freya eifersüchtig machen könnte!“ bekräftigte Olaf, der Skalde. Während der Sänger redete, brachte er seine kleine Harfe in der ihm als Seekiste dienenden Ruderbank in Sicherheit. Olaf passte eigentlich nicht so recht in den Kreis dieser baumhoch emporgeschossenen Nordmänner mit den schmalen, wie ausgezehrt wirkenden Gesichtern. Der gedrungene Körper des Skalden war wohlbeleibt und die Finger, die unglaublich sensibel die die Saiten der Harfe zum Klingen brachten, glichen wohlschmeckenden Rotwürsten aus der Räucher-Kammer. Ein sorgsam gepflegter, blonder Bart ließ zwei rosige Pausbacken hervortreten, die an die heiligen Äpfel erinnerten, die einmal ein Handelsschiff der Dänen aus dem Heiligtum Freyas mitgebracht hatten. Die purpurrote Knollennase zwischen den Schweinsäuglein zeigte an, dass Olaf jederzeit eine Vorliebe für einen guten Trunk hatte, sei es seimiger, goldfarbener Met oder das bittersüße, dunkelbraune Ael-Bier. Jeder Mann in Ringan-Fjord wusste, dass der Skalde notfalls selbst den Jarl unter den Tisch soff und am Ende eines Gelages zwar schwankend, wie ein Schiff im Orkan, aber immer noch auf zwei Beinen die Halle verließ. Olaf Metkanne nannte man ihn darum, und der Skalde trug diesen Namen in Ehren.
     
    „Vor drei Jahren hatten Haakon Bärensprung und Frodin Graumantel bereits ausgehandelt, dass Swanahild Haakons ältestem Sohn als Weib angehören soll“, erzählte Thorsten Elchnase weiter. „Eine Verbindung, die für beide Thing-Gemeinschaften vorteilhaft gewesen wäre, denn durch solche Ehen werden Kriegsbündnisse geschlossen. Ein solches durch Ehebande geschmiedetes Bündnis zwischen Ringan und Angantyr hätte selbst dem Seekönig schlaflose Nächte bereitet.“
     
    „Ein solches Bündnis hätte wohl die Zahl unserer Schilde vermehrt, aber für die zartgliedrige Swanahild wäre die Ehe mit Thorleif Knochenbrecher eine Tortur geworden“, Olaf Metkanne war in diesen Dingen etwas feinfühliger als die anderen rauen Männer des Nordens. „Mit ihrem zerbrechlichen Körper gleicht sie eher einer Elfen-Maid, die zu mitternächtlicher Stunde im Licht des Silbermondes zum Klange von Glarelions Harfe tanzt als einem Weibe von Heimdalls Geschlecht. Könnt ihr euch vorstellen, was die liebreizende Swanahild an Thorleifs Seite erdulden
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