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Die Flammen der Dunkelheit

Die Flammen der Dunkelheit

Titel: Die Flammen der Dunkelheit
Autoren: Evelyne Okonnek
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ihm ab, bis er die Wärme des Tieres spürte. Ganz sacht strich er ihm über den Pelz. Der Dachs schnaufte hörbar, aber ließ es geschehen, und Glic kauerte sich neben ihm zusammen. Nicht einen Augenblick kam es ihm in den Sinn, dass dies ein ungewöhnliches Verhalten war oder ihm der Dachs sogar gefährlich werden könnte. Von klein auf waren wilde Tiere für Glic zutrauliche Spielgefährten gewesen, und er wusste nicht, dass sie Menschen gegenüber eine natürliche Scheu besaßen. Und so warteten beide eng aneinandergeschmiegt, um sich gegenseitig Wärme zu geben, auf das Ende des Orkans.
    Doch dieser schien keine Eile zu haben, die Insel zu verlassen und weiterzuziehen. Auch wenn ihm die Dunkelheit jedes Zeitgefühl genommen hatte, sein quälender Hunger sagte Glic, dass die Nacht gekommen und gegangen war, ohne den Sturm mit sich zu nehmen. Die wenigen getrockneten Moosbeeren, die er in der Tasche fand, hatte er bereits mit dem Dachs geteilt. Mehr als einmal bebte der Boden und es rieselte Erde auf die beiden hinunter, weil Bäume in der Nähe umstürzten. Hoffentlich fällt keiner auf den Eingang, dachte Glic. Er fürchtete, sie würden verhungern, bevor der Dachs mit seinen kräftigen Pfoten einen Weg ins Freie gegraben hätte. Trotz des tosenden Lärms über ihnen schlief er ab und zu ein, es war schwer, untätig in der Finsternis wach zu bleiben. Als er wieder einmal aufschrak, merkte er sofort, dass sich etwas verändert hatte, und auch der Dachs wurde unruhig. Doch es dauerte, bis dem Jungen auffiel, was genau es war: Draußen herrschte Stille! Obwohl sie nicht wussten, was sie oben vorfinden würden oder ob sie überhaupt ohne Weiteres ins Freie gelangen könnten, drängte es die beiden ins Freie. Glic ließ den Dachs vorauskrabbeln. Sollte der Eingang verschüttet sein, wäre das Tier eher in der Lage, einen Weg hinaus zu graben.
    Schnaufen und Knurren vor ihm sagten Glic, dass seine Befürchtungen eingetroffen waren. Aber als er das Tier eingeholt hatte, fühlte er nichts als Blätter unter seinen Händen. Es raschelte und Holz knackte, dann hatte sich der Dachs durch das Astwerk gezwängt. Glic quetschte sich dicht hinter ihm durch die Zweige. Plötzlich fiel ihm Regen ins Gesicht, er hatte es geschafft! Vor Freude wollte er aufspringen, aber er musste sofort die Augen schließen, zu hell war es nach der langen Dunkelheit in der Höhle. Endlich hatte er sich ein wenig an das Licht gewöhnt. Schwerfällig vom langen Kauern in dem niedrigen Unterschlupf stand er auf und bestaunte blinzelnd die Umgebung, die ihm völlig fremd geworden war. Selbst der Dachs richtete sich einen Moment auf und witterte. Dann ließ er sich wieder auf den Boden plumpsen und erkundete den Waldboden nach Essbarem. Glic erholte sich nicht so schnell von seiner Überraschung. Zu ungewohnt wirkte die riesige Lichtung mit den unzähligen übereinandergestürzten Bäumen, wo vorher dichter Wald gewesen war. Man konnte den Himmel sehen!
    Vorsichtig arbeitete sich Glic in die Richtung voran, in der er sein Zuhause vermutete. Er brauchte lange, um über die Stämme zu klettern, das nasse Holz war glitschig. Auf keinen Fall durfte er ausrutschen, zu leicht konnte er sich dabei den Fuß einklemmen. Sein pelziger Gefährte war längst verschwunden. Wenigstens hatte der Regen nachgelassen und nach einer Weile hörte er sogar ganz auf. Glic war froh, sein langsames Fortkommen gestaltete sich wesentlich angenehmer, wenn ihm nicht ständig Wasser unter den Kragen und den Rücken hinablief. Irgendwann hatte er die Lichtung überquert und wieder Wald erreicht. Trotzdem musste er auch hier vorsichtig sein. Überall lagen abgebrochene Äste im Weg und über ihm knarrte und krachte das Holz bedenklich. Vermutlich würden noch etliche angebrochene Zweige der Schwerkraft nachgeben und herunterfallen. Er versuchte darauf zu achten, um nicht erschlagen zu werden. Aber gleichzeitig das, was über ihm vorging, und den Boden im Auge zu behalten, war auf die Dauer zu anstrengend. Er musste sich darauf verlassen, dass seine feinen Ohren ihn rechtzeitig vor dem brechenden Holz warnten, damit er seinen Blick auf die Unebenheiten zu seinen Füßen richten konnte. Während er sich vorwärtsarbeitete, entdeckte er ständig Lichtungen, wo vorher keine gewesen waren, übersät mit umgestürzten Bäumen. Es war, als hätte ein wütender Riese mit der Faust auf den Waldboden getrommelt. Glic hätte nie gedacht, dass der Wind solche Kräfte entwickeln konnte.
    Ein
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