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Die Flamme erlischt

Die Flamme erlischt

Titel: Die Flamme erlischt
Autoren: George R. R. Martin
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Wunder war sogar auf der weit im Inneren der Galaxis liegenden Alt-Erde bekannt. Mittelpunkt des Systems war ein roter Superriese, Nabe, Höllenauge oder auch Fetter Satan genannt – er hatte wohl ein Dutzend Namen. In einer Umlaufbahn befanden sich in gleichen Abständen die anderen Sonnen wie sechs gelbflammende Murmeln: die Trojanischen Sonnen, Satans Kinder, die Höllenkrone. Die Namen spielten keine Rolle. Worauf es ankam, war die Formation des Rades, sechs mittelgroße gelbe Sterne, die ihrem aufgeblähten roten Meister huldigten und das unwahrscheinlichste und zugleich stabilste multiple Sternensystem darstellten, das man je entdeckt hatte. Das Rad war eine Sensation, ein neues Mysterium für eine Menschheit, der die alten Rätsel zu langweilig geworden waren. Auf den hochentwickelten Welten arbeiteten Wissenschaftler an Theorien, die das Phänomen erklären sollten, jenseits von Tempters Schleier hingegen entstand ein Kult, und jedermann sprach von einer ausgestorbenen Rasse stellarer Ingenieure, die selbst vor dem Transport von Sonnen nicht haltgemacht hatte, um sich ein Denkmal zu setzen. Wissenschaftliche Spekulationen und abergläubische Verehrung nahmen einige Dekaden lang fieberhaft zu und begannen dann zu schwinden. Bald schon war die Angelegenheit vergessen.
    Der Wolfmensch Haapala wies darauf hin, daß Worlorn einmal in den Bereich des Feuerrades kommen und an dem System in einer weitgeschwungenen, leicht gekrümmten Hyperbelbahn vorüberziehen würde. Fünfzig Standardjahre Sonnenlicht, dann wieder hinaus in die Dunkelheit des Randes, vorbei an den Letzten Sternen, hinein in das Große Schwarze Meer intergalaktischer Leere.
    Es waren jene unruhigen Jahrhunderte, als Hoch Kavalaan und die anderen Zivilisationen der Außenwelten ihren ersten Stolz verspürten und darauf versessen waren, ihre Namen mit fetten Lettern in die Geschichtsfolianten der Menschheit zu schreiben. Und jeder weiß, was dann geschah. Stets hatte das Feuerrad zum Ruhme der Außenwelten beigetragen, aber bis dahin war dieser Ruhm auf keinen einzelnen Planeten bezogen gewesen.
    Als sich Worlorn dem Licht näherte, tobten ein Jahrhundert lang Stürme. Es waren lange Jahre der Eisschmelze, der Vulkantätigkeit und der Erdbeben. Nach und nach erwachte die gefrorene Atmosphäre zum Leben, und gräßliche Winde heulten wie eine entfesselte Monsterbrut. Mit alldem hatten sich die Außenweltler auseinanderzusetzen. Von Tober-im-Schleier kamen die Terraformer, und die Wettermacher rückten von Dunkeldämmerung an. Es gab noch andere Teams von Wollheim, Kimdiss, pi-Emerel und der Welt des Schwarzweinozeans. Aber die Männer von Hoch Kavalaan überwachten alles, da sie den Planeten für sich beanspruchten. Der Kampf dauerte mehr als ein Jahrhundert lang, und diejenigen, die ihr Leben lassen mußten, sind für die Kinder des Randes noch heute mythische Gestalten. Aber zu guter Letzt war Worlorn gezähmt. Nun entstanden Städte, fremdartige Wälder blühten unter dem Licht des Rades auf und ausgesetzte Tiere gaben dem Planeten Leben.
    Im Jahre pi-589 begann das Festival des Randes. Fetter Satan füllte ein Viertel des Himmels aus, und seine Kinder rahmten ihn leuchtend ein. An jenem ersten Tag ließen die Toberianer ihren Stratoschild schimmern, an dem sich das Sonnenlicht blitzend brach und die Wolken in Kaleidoskopmustern sammelten. Andere Tage folgten, und die Schiffe trafen ein. Von allen Randwelten kamen sie, von Planeten jenseits davon, von Tara und Daronne auf der anderen Seite des Vorhangs, von Avalon und Jamisons Welt, von so weit entfernten Welten wie Newholme und Alt-Poseidon – und sogar von Alt-Erde selbst. Fünf Standardjahre lang bewegte sich Worlorn dem Perihel entgegen, in den nächsten fünf entfernte er sich wieder davon. Im Jahre pi-599 war das Festival vorüber.
    Worlorn zog ins Zwielicht ein und fiel der Nacht entgegen.

1
     
     
    Draußen vor dem Fenster schwappte Wasser gegen die Pfähle des Holzstegs am Rande des Kanals. Dirk t'Larien blickte auf und sah einen flachen, schwarzen Lastkahn, der gemächlich im Mondlicht vorübertrieb. Am Heck stand eine einsame Gestalt, die den Kahn mit Hilfe einer dünnen, dunklen Stange vorantrieb. Alles zeichnete sich deutlich ab, denn Braques Mond zog droben seine Bahn, faustgroß und sehr hell. Hinter ihm war Stille und rauchige Dunkelheit, ein unbeweglicher Vorhang, der die entfernteren Sterne verbarg. Eine Wolke aus Staub und Gas, dachte Dirk t'Larien. Tempters Schleier.
    Der
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