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Die Flamme erlischt

Die Flamme erlischt

Titel: Die Flamme erlischt
Autoren: George R. R. Martin
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werde kommen, und es wird keine Fragen geben. Aber das Versprechen war zerbrochen. Sechs Monate, nachdem sie ihn verlassen hatte, schickte ihr Dirk das Juwel. Sie war nicht gekommen. Seither hatte er nicht mehr damit gerechnet, daß sie das Versprechen beschwören würde. Doch gerade das hatte sie jetzt getan. Erwartete sie wirklich, daß er kam?
    Voller Traurigkeit erkannte er, daß der Mann, der er einst gewesen war, zu ihr kommen würde, ganz gleich, wie sehr er sie hassen oder lieben mochte. Aber jener Narr war längst begraben. Die Zeit und Gwen hatten ihn getötet.
    Aber noch immer hörte er dem Juwel zu, fühlte seine alten Empfindungen und seine neue Müdigkeit. Und endlich blickte er auf und dachte: Vielleicht ist es doch noch nicht zu spät.
     
    Es gibt viele Möglichkeiten, zwischen den Sternen zu reisen. Einige davon sind schneller als Licht, andere sind es nicht, alle aber sind langsam. Die Reise von einem Ende des Menschenimperiums zum ändern dauert fast ein Leben lang – und das Menschenimperium mit den verstreuten Welten der Menschheit und der großen Leere dazwischen macht nur den allerkleinsten Teil der Galaxis aus. Aber Braque lag nahe am Vorhang, und die Außenwelten waren nicht weit. Es wurde eifrig Handel betrieben, so daß es leicht war für Dirk, ein Schiff zu finden.
    Das Schiff hieß Schaudern der Vergessenen Feinde. Es flog von Braque nach Tara und dann durch den Vorhang nach Wolfheim und dann nach Kimdiss und schließlich nach Worlorn. Sogar bei #ÜL-Fahrt dauerte die Reise mehr als drei Standardmonate. Nach der Landung auf Worlorn würde die Schaudern noch weiter fliegen, bis Hoch Kavalaan und pi-Emerel und dann zu den Letzten Sternen, ehe sie wendete und ihre ausgedehnte Route zurückverfolgte.
    Der Raumhafen auf Worlorn war für eine Abfertigung von zwanzig Schiffen pro Tag ausgelegt worden – jetzt kam vielleicht eines im Monat. Der größere Teil war abgesperrt, dunkel, verödet. Die Schaudern setzte inmitten jenes kleinen Bereiches auf, der noch in Funktion war, und ließ eine in der Nähe liegende Gruppe privater Schiffe sowie einen teilweise ausgeschlachteten toberianischen Frachter fast winzig erscheinen.
    Eine Sektion des riesigen Terminals, jetzt automatisiert und unbelebt, war noch hell erleuchtet, aber Dirk hastete hindurch, jagte in die Nacht hinaus, in eine leere Außenweltnacht, die vor Sehnsucht nach den Sternen seufzte.
    Sie warteten direkt vor den Haupteingängen auf ihn, wie er es mehr oder weniger fest erwartet hatte. Der Kapitän der Schaudern hatte eine Laser-Botschaft abgestrahlt, als das Schiff in den Normalraum zurückgetaucht war.
    Gwen Delvano hatte sich zu seinem Empfang eingefunden, aber sie war nicht allein gekommen. Gwen und ihr Begleiter sprachen leise miteinander, als er aus dem Terminal herauskam.
    Dirk blieb direkt hinter der Tür stehen, lächelte so leger, wie er nur eben konnte und stellte seine leichte Tasche auf den Boden. »Hallo«, sagte er leise, »ich habe gehört, hier wird ein Fest gefeiert?« Beim Klang seiner Stimme hatte sie sich umgedreht, und jetzt lachte sie ihr vertrautes Lachen. »Nein«, sagte sie, »dafür bist du etwa zehn Jahre zu spät dran.«
    Dirk bemühte sich, ein finsteres Gesicht zu machen und schüttelte den Kopf. »Verdammt!« Dann lächelte er wieder. Gwen kam auf ihn zu, und sie umarmten sich. Der andere Mann, der Fremde, stand regungslos da und schaute zu.
    Die Umarmung war nur kurz. Kaum hatte Dirk die Arme um sie gelegt, da entzog sie sich ihm wieder. Nach diesem Intermezzo standen sie dicht beisammen, und jeder schaute, welche Veränderungen die Jahre bei dem anderen bewirkt hatten.
    Sie war älter, hatte sich aber kaum verändert, und was ihm anders erschien, beruhte wohl nur auf Lücken in seinem Gedächtnis. Ihre großen, grünen Augen waren nicht ganz so groß und grün, wie er sie in Erinnerung hatte. Auch war sie etwas größer, als er sich entsann, und vielleicht auch ein bißchen schwerer. Aber sie war nahe genug, sie lächelte auf die gleiche Art, und ihr Haar war wie damals, fein und dunkel, wie ein glänzender Strom, schwärzer als eine Außenweltnacht, der auf ihre Schultern fiel. Sie trug einen weißen Rollkragenpullover und eine Gürtelhose aus derbem Chamäleonstoff, der sich inzwischen in Nachtschwarz verfärbt hatte, dazu ein breites Stirnband, wie sie es auf Avalon so gerne angelegt hatte. Ihren Arm schmückte ein Armreif, und das war neu. Eigentlich war es eher eine Armspange, ein massives
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