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Die Flamme erlischt

Die Flamme erlischt

Titel: Die Flamme erlischt
Autoren: George R. R. Martin
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hatte sich bereits abgewandt und war auf die Treppe zugegangen. Dann kam der Aufzug. Ruark legte ihm die Hand auf die Schulter und schob ihn hinein. Sie fuhren abwärts, Schlaf und Träumen entgegen.

2
     
     
    Er fand in dieser Nacht nur wenig Ruhe. Aus jedem kurzen Schlummer jagten ihn Alpträume in die Realität zurück. Es waren stroboskopartige, von Gift durchsetzte Visionen, an die er sich nur noch schwach erinnern konnte, wenn er aufwachte. Schließlich gab er auf und begann damit, seine Habseligkeiten zu durchstöbern, bis er das Juwel in seiner Hülle aus Samt und Silber fand. In der Dunkelheit sitzend, berauschte er sich an dessen leeren Versprechungen.
    Stunden vergingen. Dann erhob sich Dirk, kleidete sich an, steckte das Juwel in die Tasche und ging allein nach draußen, um den Auf gang des Rades mitzuerleben. Ruark schlief noch fest, aber er hatte den Türcode auf Dirk eingestellt, so daß es für diesen kein Problem war, den Raum zu verlassen. Mit dem Aufzug fuhr er zum Dach hinauf und verbrachte die letzten Stunden der Nacht in sitzender Stellung auf dem kalten Metallflügel des grauen Luftwagens.
    Die Morgendämmerung erschien ihm eigenartig, wirkte trübe und gefährlich. Ein trister Tag wurde aus ihr geboren. Zuerst überzog ein diesiger Schein den Horizont, ein schwarzrotes Geschmier, das für die Glühsteine der Stadt nur ein schwaches Echo abgab. Dann ging die erste Sonne auf: eine winzige gelbe Kugel, in welche Dirk mit ungeschütztem Auge blicken konnte. Minuten später erschien an einer anderen Stelle des Horizontes eine zweite, größere und hellere Sonne. Obwohl beide deutlich größer waren als Sterne, spendeten sie immer noch weniger Licht als etwa Braques feister Mond.
    Etwas später begann die Nabe über dem Freigelände zu erscheinen. Anfangs war es nur ein Streifen matten Rots, der sich im Zwielicht der Morgendämmerung verlor, aber dann wurde er heller und heller, bis Dirk schließlich erkannte, daß es sich um keine Reflexion, sondern um die Korona einer mächtigen, roten Sonne handelte. In ihrem Schein nahm die Welt eine karmesinrote Färbung an.
    Er sah auf die Straßen hinunter. Die Steine von Larteyn waren jetzt verblaßt, nur in Schattenzonen konnte man noch ein schwaches Glühen bemerken. Wie eine mausgraue Decke, durchwirkt von verwaschenem Rot, hatte sich Düsternis über die Stadt gelegt. Im kalten, schwachen Licht waren die Flammen der Nacht erloschen, und über den stillen Straßen lag der bittere Hauch von Tod und Verlassenheit. Worlorns Tag. Noch herrschte Zwielicht.
    »Letztes Jahr war es noch heller«, ertönte eine Stimme hinter ihm. »Nun wird es jeden Tag dunkler und kälter. Von den sechs Sternen der Höllenkrone verstecken sich im Augenblick zwei hinter dem Fetten Satan und sind daher für uns ohne Nutzen. Die anderen werden kleiner und entfernen sich allmählich. Satan selbst schaut noch auf Worlorn herab, aber sein Licht ist tiefrot und wird immer schwächer. So lebt Worlorn in einem langsam abnehmenden Sonnenuntergang. Nur wenige Jahre noch, und die sieben Sonnen werden zu sieben Sternen geschrumpft sein. Dann wird das Eis zurückkommen.« Der Sprecher stand bewegungslos da und betrachtete den Sonnenaufgang. Seine Stiefel zeigten leicht auseinander, die Hände hatte er auf die Hüften gelegt.
    Es handelte sich um einen hochgewachsenen Mann, schlank und sehr muskulös, der den Oberkörper sogar an einem solch frostigen Morgen nicht bedeckt hatte. Seine rotbronzene Haut bekam durch das Licht des Fetten Satan einen noch röteren Ton. Er hatte hohe, eckige Backenknochen, ein wuchtiges, breites Kinn und nach hinten gekämmtes, schulterlanges Haar, ebenso schwarz wie das von Gwen. An den Unterarmen -es waren dunkle, mit feinem schwarzem Haar bedeckte Arme – trug er zwei schwere Armbänder. Jade und Silber am linken, schwarzes Eisen mit rotem Glühstein am rechten Arm.
    Auf der Mantaschwinge sitzend, verzog Dirk keine Miene. Der Mann sah auf ihn herab. »Sie sind Dirk t'Larien, und einst waren Sie Gwens Liebhaber.« »Und Sie sind Jaan.«
    »Jaan Vikary, von der Eisenjadeversammlung«, sagte der andere. Er trat ein paar Schritte vor und hob die Hände, wobei er die leeren Handflächen nach außen richtete.
    Von irgendwoher kannte Dirk diese Geste. Er stand auf und preßte seine eigenen Handflächen gegen die des Kavalaren. Dabei fiel ihm noch etwas auf. Jaan trug einen Gürtel aus schwarzem, geöltem Metall, und eine Laserwaffe hing an seiner Seite.
    Vikary war
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