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Die Flamme erlischt

Die Flamme erlischt

Titel: Die Flamme erlischt
Autoren: George R. R. Martin
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den Tisch, befingerte die kleine Mantanadel an seinem Kragen und lächelte dabei amüsiert. »Ich sehe, daß du und Jaan euch schon gefunden habt«, sagte sie. »Mehr oder weniger«, gab Dirk zurück, und genau in diesem Augenblick kam Vikary wieder. In der rechten Hand hielt er ungeschickt vier Zinnbecher bei den Henkeln, mit der Linken balancierte er einen großen Krug Dunkelbier. Er setzte alles auf der Tischmitte ab, dann ging er ein letztes Mal in die Küche zurück, um Teller, Eisenbestecke und einen glasierten Krug zu holen, der eine süßgelbe Paste enthielt, die als Aufstrich für den Zwieback dienen sollte.
    Während er draußen war, schob Janacek die Becher über den Tisch zu Gwen. »Schenk ein«, befahl er ihr in recht schroffem Ton, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder Dirk zuwandte. »Wie ich erfahren habe, waren Sie der erste Mann, den sie kannte«, sagte er, während Gwen einschenkte. »Sie haben sie mit einer stattlichen Zahl schlechter Angewohnheiten zurückgelassen«, fuhr er kalt lächelnd fort. »Ich bin geneigt, das als Beleidigung aufzufassen und fordere Genugtuung.« Dirk sah verstört aus. Gwen hatte drei der vier Becher mit Bier und Schaum gefüllt. Einen schob sie an Vikarys Platz, den zweiten reichte sie Dirk, und aus dem dritten nahm sie einen langen Zug. Dann wischte sie sich mit dem Handrücken über die Lippen, lächelte Janacek an und gab ihm den leeren Becher. »Falls du Dirk wegen meiner Angewohnheiten belangen willst«, sagte sie, »dann muß ich wohl Jaan bitten, mir für die Jahre Genugtuung zu verschaffen, die ich unter deinen Angewohnheiten gelitten habe.« Janacek wog den leeren Bierbecher in den Händen und blickte finster drein. » Betheyn -Schlampe«, sagte er fast im Plauderton. Dann schenkte er sich sein Bier selbst ein. Einen Augenblick später war Vikary zurück. Er setzte sich, nahm einen Schluck aus seinem eigenen Becher, und alle begannen zu essen. Sehr schnell merkte Dirk, daß Bier zum Frühstück nicht das verkehrteste war. Auch der Zwieback, bestrichen mit einer dicken Schicht der süßen Paste, war ausgezeichnet. Das Fleisch hingegen kam ihm ziemlich trocken vor.
    Die ganze Zeit über stellten ihm Janacek und Vikary Fragen, während Gwen zurückgelehnt lauschte, amüsiert dreinschaute und sehr wenig sprach. Die beiden Kavalaren waren so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Jaan Vikary, noch immer mit freiem Oberkörper, gähnte sehr oft und kratzte sich geistesabwesend. Er beugte sich beim Sprechen vor, und sein Tonfall drückte ein allgemeines, freundliches Interesse aus. Er lächelte oft und schien weit ungezwungener als auf dem Dach. Dennoch kam er Dirk gehemmt vor, wie ein Mann, der unter Zwang stand und um seine Freiheit kämpfte. Selbst seine Zwanglosigkeit, das Lächeln, das Kratzen, schien Dirk einstudiert und aufgesetzt zu sein. Garse Janacek, der aufrechter saß als Vikary, sich niemals kratzte und keine verschnörkelten kavalarischen Sprachmanierismen ausließ, war in Wirklichkeit viel entspannter. Er war ein Mann, der die Einschränkungen genoß, die ihm seine Gesellschaft auferlegt hatte und gar nicht daran dachte, aus ihnen ausbrechen zu wollen. Er sprach lebhaft und geschliffen, stieß Beleidigungen aus, wie ein Schleifstein Funken sprüht. Die meisten davon waren an Gwens Adresse gerichtet. Einige davon gab sie postwendend zurück, aber meistens war diese Gegenwehr nur schwach. Bei diesem Spiel war Janacek eindeutig der Sieger. Manches hatte den Anschein eines beiläufigen, ja freundschaftlichen Schlagabtausches, aber einige Male glaubte Dirk, einen Anflug echter Feindseligkeit erkannt zu haben. Bei jedem neuen Aufflackern dieser kleinen Boshaftigkeiten umwölkte sich Vikarys Gesicht.
    Als Dirk zufällig seine Zeit auf Prometheus erwähnte, sprang Janacek sofort darauf an. »Sagen Sie, t'Larien«, begann er, »halten Sie die Veränderten Menschen noch für menschlich?«
    »Natürlich«, sagte Dirk, »das sind sie ohne Zweifel. Die modernen Promethaner sind nur Nachkommen des alten Korps für Ökologische Kriegführung, das während des Krieges von den Erdgeborenen dort angesiedelt wurde.«
    »Ehrlich gesagt«, hielt Janacek dagegen, »würde ich mit Ihrem Urteil nicht übereinstimmen. Sie haben ihre eigenen Gene derart manipuliert, daß sie meiner Meinung nach das Recht verwirkt haben, sich Menschen nennen zu dürfen. Libellenmenschen, Tiefseemenschen, Menschen, die Gift atmen, Menschen, die wie Hruun im Dunkeln sehen, Menschen mit vier Armen,
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